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297 - Die Zeit läuft ab

297 - Die Zeit läuft ab

Titel: 297 - Die Zeit läuft ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Vennemann
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niederließen, davon ging der Diktator bestimmt nicht aus.
    Jola grinste in sich hinein. Umgekehrte Psychologie… Für einen Simpel wie den Solnosc ein Fremdwort…
    »Wie ich den Fetten kenne, sonnt er sich in seinem Erfolg, uns wieder einmal aus einem seiner Stadtteile vertrieben zu haben«, murmelte sie. »Aber du hast recht, es ist erstaunlich still. Hoffentlich ist das nicht die berühmte Ruhe vor dem Sturm.« Sie sah Tomasz an und tippte auf das Fernglas. »Du wolltest mir etwas zeigen?«
    Der Rothaarige deutete mit ausgestrecktem Arm nach Osten. »Da hinten, zwischen den beiden hohen Ruinentürmen. Sieh selbst und sag mir, was du davon hältst…«
    Jola brachte die beiden Linsen vor die Augen und schaute in die von Tomasz angegebene Richtung. Mit dem Stellrad versuchte sie einen klaren Blick auf das zu bekommen, was der junge Mann ihr zeigen wollte. Dabei orientierte sie sich zunächst an den beiden hoch über die anderen Dächer der Stadt aufragenden Hochhausgerippen, zwischen denen sich ein verwaschener ovaler Fleck abzeichnete, der sich zu vergrößern schien.
    Was ist das denn? Sie versuchte weiterhin, das Bild scharf zu stellen, aber das Objekt schien sich zu bewegen, sodass es ihr nur schwerlich gelang, einen Fokus zu bekommen. Als sie es schließlich doch schaffte, stieß sie einen überraschten Laut aus. Sie blinzelte ungläubig und besah sich die Details des Konstrukts, das dort am Himmel schwebte. Trägerballon, Haltekonstruktion, Gondel…
    »Ein Luftschiff?«, fragte sie fassungslos. »Ein verdammtes Luftschiff??«
    Tomasz nickte ernst. »Ganz offensichtlich«, sagte er. »Aber wenn der Solnosc ein so gigantisches Teil in seinen Werkstätten hergestellt hätte, wäre das unseren Spionen doch keinesfalls entgangen!«
    Jola ließ das Fernglas sinken und bedachte den Kameraden mit einem genervten Blick. »Unsere Spitzel haben auch von der Druckluftkanone keinen Wind bekommen, um mal im Bilde zu bleiben«, bemerkte sie spöttisch. »Also kann es sehr wohl sein.« Sie setzte das Binocular erneut an. »Obwohl mir die Konstruktion irgendwie zu andersartig erscheint, um aus den Fabriken des Solnosc zu stammen.«
    Das Luftschiff näherte sich weiter dem Zentrum der Stadt. Es flog in gemächlichem Tempo und bei dieser Entfernung lautlos dahin.
    »Ein wahrhaftiger Zeppelin…« Jola erinnerte sich an Bilder der gigantischen prä-apokalyptischen Luftschiffe, die sie während des Unterrichts im Bunker betrachtet hatten. »Erinnerst du dich daran, wie wir in der Klasse mal einen gebastelt haben?«
    Der Rothaarige lachte auf. »Klar! Ein dünner schwarzer Foliensack, gefüllt mit Luft. Vom Licht einer Lampe erwärmt, erhitzte sich die Luft im Inneren und der Solarzeppelin stieg bis zur Zimmerdecke auf…«(das gab's auch mehrfach als Gimmick in den legendären »YPS«-Heften)
    Jola nickte. »Genau. Ich weiß noch, wie ich mir damals gewünscht hatte, wir könnten ihn draußen fliegen lassen…« Sie seufzte bei dem Gedanken. Wer hatte damals auch ahnen können, dass wenige Jahre später jemand kommen und ihnen ein Heilmittel gegen ihre Immunschwäche bringen würde, das sie aus der Isolation des Bunkers holte?
    Jola erinnerte sich noch genau daran, wie sie Matthew Drax das erste Mal gesehen hatte. Sie hatte mit Tomasz, Oleg und den anderen Kindern zusammen im Klassenzimmer gespielt, als der blonde Mann in Begleitung ihres Großvaters - damals der Leiter des Bunkers - an die Scheibe getreten war, die den sterilen Bereich des Unterrichtsraumes vom Rest des Bunkers trennte. Er hatte so anders ausgesehen als jeder andere Mensch im Bunker!
    Mit ihren neun Jahren wusste sie damals schon ziemlich viel über die Außenwelt, aber gesehen hatte sie von ihr noch so gut wie nichts. Der Mann, den die Barbaren »Maddrax« nannten, hatte ihr zugelächelt, während Opa Andrzej mit ihm gesprochen hatte.
    Wenige Tage später hatte sie zum ersten Mal die Erdoberfläche betreten, an ihrer Brust ein Beutel mit einer weißlichen Flüssigkeit, die dafür sorgte, dass sie nicht krank wurde. Und wieder hatte Maddrax gelächelt, als er sie voller Freude und ohne Beschränkungen hatte herumspringen sehen.
    Jola fragte sich, was wohl aus dem Mann geworden war, der als letzter Jonpoola aus Waarza abgereist war. Wo auch immer er sich befand, er hatte Spuren hinterlassen, die sich nicht nur auf Waarza, sondern auf ganz Poolen ausgewirkt hatten. Er hatte mit seiner Verkündung, das Amt des Solnosc und des Jonpoola zusammenzulegen, die

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