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297 - Die Zeit läuft ab

297 - Die Zeit läuft ab

Titel: 297 - Die Zeit läuft ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Vennemann
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dauert das?«
    Der Marsianer kratzte sich an der von Pigmentflecken übersäten Schläfe. »Keine Ahnung, ein paar Minuten? Sofern die Messgeräte nicht ausschlagen…«
    Augenblicke später kam die Entwarnung und es stand fest, dass die Arbeit fortgesetzt werden konnte. Ann sah, wie alle erleichtert aufatmeten, als sich der Bohrer - nun um ein weiteres Gestängestück erweitert - wieder zu drehen begann.
    Auch Pieroo machte ausnahmsweise ein glückliches Gesicht. Er legte den großen Vorschlaghammer weg und kam zu Ann herüber. »Nich mehr lang, Ann, dann hammers geschafft!«, sagte er selig.
    »Was geschafft?«, wollte sie wissen. Natürlich hatte sie schon des Öfteren gefragt, wonach die Männer und Frauen hier eigentlich suchten. Aber bisher hatte sie nur geheimnisvolle Andeutungen zu hören bekommen, über ein Wesen namens Mutter und den Ursprung , in den sie zurückkehren sollte. Was oder wer Mutter und der Ursprung waren, darüber hatten sich die Ex-Versteinerten allerdings beharrlich ausgeschwiegen - als ob sie es selbst nicht genau wüssten.
    Auch das Mädchen, das von den Dreizehn Inseln mit hierher gekommen war und das ihr altersmäßig am nächsten stand, hatte Ann gefragt. Doch auch Ivee hatte sie abgewimmelt mit der Ausrede, sie habe zu tun und Ann solle sich aus Sachen heraushalten, die sie nichts angingen.
    Pieroos Augen glänzten. »Der Ursprung!«, sagte er. »Er is irgendwo da unten. Un jetzt, wo wir diese elend harte Schicht hinter uns ham, würd's mich nich wundern…«
    Plötzlich hielt er inne, begann zu zittern und stieß einen markerschütternden Schrei aus. Er klappte zusammen, als habe man ihn in den Bauch geboxt, die Augen weit aufgerissen. Tränen liefen ihm übers Gesicht.
    Aber er war nicht der Einzige. Überall in der Halle ließen die Arbeiter ihre Werkzeuge fallen, schrien und brüllten, krümmten sich und sanken in sich zusammen.
    Über sich hörte Ann ein Wimmern. Sie wandte den Kopf und sah, wie sich Lady Victoria ein Stück über die Plattform lehnte und ein Schwall Erbrochenes aus ihrem Mund schoss. »Aufhören!«, keuchte sie erstickt. »Stellt den verdammten Bohrer ab!«
    Ann machte die Situation eine höllische Angst. Sie sah zu Pieroo, der sich auf dem Boden zusammengerollt hatte und wie unter Krämpfen zuckte. »Aufhören!«, wimmerte der Barbar. Rotz lief ihm aus der Nase, im Weiß seiner verdrehten Augäpfel konnte Ann kleine rote Äderchen erkennen.
    Das Brummen des Bohrers verstummte, als es einer der Marsianer schaffte, das Bedienpult zu erreichen. Augenblicklich entspannten sich die Körper der Anwesenden, erleichtertes Seufzen erklang. Die Menschen rappelten sich wieder auf, klopften sich den Dreck von den Sachen und sahen sich einen Moment lang wie benommen an. Dann, wie auf ein stummes Kommando, jubelten sie los! Sie klatschten und lachten, gingen aufeinander zu, klopften sich auf die Schulter und umarmten sich.
    Jetzt ist es passiert! Jetzt sind sie endgültig übergeschnappt! , durchzuckte es Ann. Sie wich vorsichtig von Pieroo zurück, der gerade die von der Plattform herabgestiegene Lady Victoria umarmte.
    »Das war's!«, rief sie euphorisch. »Wir sind zum Ursprung durchgebrochen! Endlich!« Sie ließ von dem Barbaren ab und ging schnellen Schrittes auf den Ausgang der Halle zu. Die Arbeiter ließen alles stehen und liegen, eilten hinterher, weiter laut lamentierend.
    Bevor Ann etwas tun konnte, war Pieroo bei ihr und setzte sie sich auf die Schultern. Das hatte der Mann seit Jahren nicht mehr gemacht, und er hielt ihre Unterschenkel so fest gegen seinen Körper gepresst, dass sich das Blut oberhalb ihrer Knie zu stauen begann und ihre Füße kribbelten.
    »Was… was ist denn passiert?«, wagte sie sich schließlich zu fragen.
    Pieroo lachte ausgelassen. »Heute is'n großer Tag, Ann! Der Ursprung! Wir ham ihn erreicht!«
    Die Arbeiterkolonne trat aus der Halle in das helle Mittagslicht des Tages. Auf dem Platz vor dem Gebäude strömten die Menschen aus der ganzen Siedlung zusammen und freuten sich lautstark.
    Von ihrem Sitz auf Pieroos Schultern aus hatte Ann einen guten Überblick über die Menge. Die ehemals Versteinerten lagen sich mit Freudentränen in den Armen, während die Hilfsarbeiter aus der Region und auch die Retrologen, die sich hier ebenfalls niedergelassen hatten, etwas ratlos vom Rand aus zusahen. Offenbar verstanden auch sie nicht, was hier vor sich ging.
    Als der minutenlange Tumult langsam verebbte, trat Lady Victoria hervor und erhob

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