3 Weihnachtsgeschichten - Erst ich ein Stück, dann du
einem Esel entgegen. Er warf ihm einen erstaunten Blick zu und hielt sein Tier an.
„Wo willst du denn hin?“, fragte der Mann neugierig. „Ich suche nach einem Stall“, antwortete Rufus. „Er muss auf einer Weide liegen, wo mehrere Hirten ihre Schafe hüten.“
Der Mann schüttelte belustigt den Kopf. „Was willst du denn in einem Stall? Du hast doch gar kein Tier?“ „Stimmt!“, erwiderte Rufus. „Mir geht es auch nicht um den Stall, sondern um die Leute, die heute darin übernachten – um Maria und Josef und den neugeborenen Jesus.“
Wieder schüttelte der Mann den Kopf. „Maria und Josef kenne ich nicht. Und neugeborene Schreihälse kann ich nicht ausstehen.“
„Der kleine Jesus ist kein Schreihals“, erklärte Rufus. „Er ist das liebste Kind der Welt und wird die Menschen eines Tages von all ihren Sünden erlösen.“
„Dummes Zeug!“, sagte der Mann.
„Das höre ich mir nicht länger an.“
Er gab dem Esel einen Klaps
und beide zogen schnell weiter.
Rufus seufzte, gab aber die Hoffnung nicht auf. Er lief und lief, bis er irgendwann das Blöken von Schafen vernahm. Beinahe im selben Augenblick sah er einen großen Stern über den Himmel wandern und plötzlich stillstehen.
Da ahnte er, dass der Stall von Bethlehem nicht mehr weit entfernt sein konnte. Seine großen Brüder waren anscheinend schon angekommen. Er erkannte das Licht, das von ihnen ausging, und den Gesang, den sie eben anstimmten.
Rufus blieb stehen. Sein Herz klopfte vor Freude und Aufregung. Aber wie sollte er sich verhalten? Sollte er zu den anderen Engeln laufen und ganz selbstverständlich Hallo sagen? Oder sollte er versuchen, sich unbemerkt in den Stall zu schleichen?
Darüber musste er nachdenken!
Also setzte er sich auf die Wiese.
Hilfe! Da kam ein riesiger Hund!
Er bleckte die Zähne und knurrte.
Rufus blieb ruhig sitzen und streckte dem Tier die Hand entgegen. „Komm her, mein Guter!“, sagte er. „Ich bin dein Freund und auch der Freund der Schafe, die du bewachst.“
Der Hund klappte sein Maul zu und kam vorsichtig näher. Zuerst schnupperte er an der ausgestreckten Hand, dann wedelte er mit dem Schwanz.
„Na, siehst du!“, sagte Rufus. „Ich wusste doch, dass wir zwei miteinander auskommen würden. Aber hör mal – hast du auch einen Herrn, mit dem ich mich ein bisschen unterhalten kann?“
„Wuff“, machte der Hund, drehte sich um und lief in gemäßigtem Tempo über die Wiese. Dann blieb er stehen.
Vor ihm lag eine zerlumpte Decke.
Darauf saß ein Junge und strickte.
Die Nadeln blitzten im Mondlicht.
Der Junge blickte auf und musterte Rufus. Seltsamerweise schien er nicht besonders erstaunt.
„Suchst du mich?“, fragte er. „Wenn mein Hund dich zu mir bringt, hast du wohl redliche Absichten.“
„Die habe ich!“, antwortete Rufus. „Ich suche den Stall, in dem heute der kleine Jesus geboren wurde, der Sohn Gottes und unser aller Heiland und Herr.“
Wieder zeigte sich der Junge nicht sehr überrascht. „Du hast dein Ziel fast erreicht“, sagte er und wies mit dem Kopf auf eine in einiger Entfernung liegende
Holzhütte. „Siehst du den großen Stern dort? Er unterscheidet den Stall von allen anderen.“
„Warst du schon dort?“, fragte Rufus eifrig. „Hast du das Jesuskind schon gesehen?“
Der Junge schüttelte den Kopf. „Die gute Nachricht kam von den Engeln. Die großen Hirten haben sich gleich auf den Weg gemacht. Aber mich haben sie hier gelassen Ich soll mit dem Hund die Schafe bewachen.“
„Ich bin auch ein Engel“, sagte Rufus.
„Das sehe ich“, antwortete der Junge.
„Sicher wollten deine großen Brüder
dich nicht mit auf die Reise nehmen.“
„Genau!“, rief Rufus. „Wir Kleinen müssen immer zurückstehen. Dagegen sollten wir endlich was tun!“
„Was denn?“, fragte der Junge.
„Wir gehen jetzt auch zum Jesuskind“, sagte Rufus.
Der Junge sah ihn nachdenklich an. Dann nickte er und meinte: „Vielleicht hast du recht. Ich heiße übrigens David.“ Er griff wieder nach seinem Strickzeug. „Und ich heiße Rufus“, erklärte der kleine Engel. „Was machst du da eigentlich?“
„Ich stricke Söckchen“, erwiderte David. „Warme Söckchen für das Jesuskind. Aus der besten Wolle von unseren Schafen.“
„Das ist ein schönes Geschenk“, sagte Rufus. „Was soll ich denn dem Jesuskind mitbringen?“
David zuckte ratlos die Achseln.
„Na ja“, sagte Rufus, „vielleicht fällt mir unterwegs etwas ein.
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