3 Weihnachtsgeschichten - Erst ich ein Stück, dann du
Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum!
Morgen ist es so weit. Endlich! Morgen ist Heiliger Abend. Morgen steht in fast jeder Wohnung ein Tannenbaum. Der trägt still seine Kerzen und stolz seinen Schmuck. Der leuchtet und duftet. Der sagt allen, die ihn sehen: „Frohe Weihnachten!“
Tina freut sich schon sehr. Aber zugleich macht sie sich Sorgen. „Wir haben noch gar keinen Tannenbaum“, stellt sie beim Frühstück fest. „Und morgen ist Heiliger Abend!“
Mama nickt leicht beschämt. „Ja, das stimmt. Aber die letzten vierzehn Tage sind nur so vorbeigerast. Ich hatte eine Menge zu tun.“
„Alle anderen haben schon längst einen Baum“, sagt Tina. „Bei Kellermanns steht seit zehn Tagen einer auf dem Balkon.“
Kellermanns wohnen nebenan.
Man kann ohne Mühe
auf ihren Balkon gucken.
Der Baum, der da in der Ecke lehnt,
ist sehr schön und sehr groß.
Tina findet ihn toll.
Mama zuckt die Achseln. „Es ist nicht meine Schuld, dass wir noch keinen Baum haben. Dieses Jahr muss Papa ihn kaufen.“
Tina seufzt. Was den Tannenbaum angeht, haben ihre Eltern leider einen unterschiedlichen Geschmack. Papa mag die kleinen, dicken Bäume am liebsten. Mama findet die großen, schlanken am schönsten. Deshalb wechseln sich die beiden beim Kauf jedes Jahr ab. Diesmal ist Papa dran. Er hat versprochen, den Baum heute Abend mit nach Hause zu bringen. „Du kannst Papa ruhig mal anrufen!“, sagt Mama. „Sonst vergisst er es am Ende noch.“
Papa arbeitet bei einer Zeitung.
Da darf man ihn nur anrufen,
wenn es etwas sehr Wichtiges gibt.
Aber etwas Wichtigeres
als den Kauf des Tannenbaums
gibt es ja wohl nicht!
Papa sieht das durchaus ein. Er ist gar nicht böse, als Tina anruft – höchstens ein bisschen eilig. Er muss nämlich gleich zu einer Konferenz.
„Ach ja, der Tannenbaum!“, sagt er. „Ich besorge ihn
auf dem Heimweg. Versprochen. Auf dem Platz vor der Nikolauskirche habe ich heute Morgen noch sehr schöne Bäume gesehen.“
Tina lacht. „Du meinst kleine, dicke?“
Aber da hat Papa den Hörer schon aufgelegt.
Tina kann kaum erwarten,
dass Papa nach Hause kommt.
Als er endlich klingelt,
rennt sie zur Tür.
Ihre Enttäuschung ist groß.
Papa kommt ohne Tannenbaum!
„Wo ist der Baum?“, ruft Tina. „Morgen ist Heiliger Abend! Hast du etwa vergessen, was du versprochen hast?“
„Natürlich nicht“, sagt Papa kleinlaut. „Aber auf dem Platz vor der Nikolauskirche war eben kein einziger Tannenbaum mehr zu sehen.“
„Und was machen wir jetzt?“, schluchzt Tina. „Mama und ich haben heute Nachmittag schon den Schmuck aus dem Keller geholt.“
„Es tut mir so leid“, sagt Papa. „Vielleicht kriegen wir morgen irgendwo ein paar Tannenzweige. Die sehen mit Schmuck und Kerzen auch schön aus.“
Papas Vorschlag gefällt
Tina überhaupt nicht.
Weihnachten ohne
Tannenbaum
ist gar kein richtiges
Weihnachten!
Am nächsten Morgen schmeckt ihr das Frühstück nicht. Sie geht auf den Balkon und schaut zu Kellermanns hinüber. Der Baum, der dort in der Ecke lehnt, kommt ihr noch größer und schöner vor als in den letzten Tagen. Sie ist fast ein bisschen neidisch. Dabei passt so ein blödes Gefühl doch gar nicht zu Weihnachten!
Mama ruft aus der Küche:
„Komm, Tina!
Wir müssen noch einkaufen.
Mir fehlen Salat und Gemüse
und andere frische Sachen.
Papa geht auch mit.“
Ja, Papa geht auch mit. Das heißt, er holt das Auto aus der Garage und durchkreuzt mit Mama und Tina die Stadt. Er hat die Hoffnung auf einen Tannenbaum noch nicht aufgegeben. Leider hofft er vergeblich. Wohin er auch fährt – überall heißt es: Tannenbäume ausverkauft!
Alle Leute haben rechtzeitig vorgesorgt. Tina und ihre Eltern sind wohl die Einzigen, die ihre Geschenke heute Abend bei Lampenlicht auspacken werden.
Tina freut sich kein bisschen
auf ihre Geschenke.
Dieser Heilige Abend wird
ihr erster ohne Tannenbaum sein.
Sie kann es einfach nicht fassen.
Im Supermarkt ist es sehr voll. Die Leute drängeln und schubsen. An allen Kassen sind lange Schlangen. Tina hat keine Lust, den Einkaufswagen zu schieben. Mit finsterer Miene trottet sie hinter ihren Eltern her. Irgendwann tippt Papa ihr auf die Schulter. „Guck mal, Tina! Da vorn gibt es Tannenbäume aus Plastik.
Wie findest du sie?“
„Scheußlich!“, sagt Tina.
„Eigentlich sind sie ganz praktisch“, findet Mama. „Sie verlieren keine Nadeln und man kann sie jedes Jahr wieder verwenden.“
„Das ist aber auch
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