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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schaffen! Wir sind nur gekommen, um zu fragen, ob Eure Leute schon zurück sind. Hoffentlich baumeln die roten Halunken schon an zwei guten hanfenen Stricken?“
    „Nein, sie baumeln noch nicht. Mr. Beyer hat sie wieder zurückgebracht.“
    „Wie? Was? Mr. Beyer? Was hat dieser Mr. Beyer und sein Indianer mit dieser Angelegenheit zu schaffen?“
    „Sehr viel! Sie kennen die wahren Mörder und haben sie bis hierher verfolgt.“
    „Die wahren Mörder? Das sind doch die Caddo-Indsmen!“
    „Nein. Mr. Beyer behauptet vielmehr, daß die wirklichen Mörder Slack und Grinder heißen.“
    „Slack und Grin – – – all devils, wir?“ stieß Grinder erschrocken hervor:
    „Ja, ihr!“
    „Wenn er das behauptet, so will ich gleich erblinden, wenn er nicht den Verstand verloren hat! Slack, sprich, was sagst du dazu?“
    Der Gefragte streckte mir die geballte Faust entgegen und schrie:
    „Hol ihn der Teufel! Was will der Kerl von uns? Er ist ein Dutchman, dessen Wort nichts gilt. Gott soll mich wahnsinnig machen, wenn ich ihm nicht das Maul stopfe, daß er für das ganze Leben schweigen muß! Komm, Grinder! Für solch einen Kerl sind wir hier viel zu gut!“
    „Ihr bleibt!“ herrschte sie der Kapitän an.
    Sie wollten trotz dieses Befehles fort; aber als sie die Tür öffneten, sahen sie den Leutnant vor sich, welcher mit einem halben Dutzend Soldaten hereintrat, von denen sie umringt und festgehalten wurden.
    „Was soll das heißen? – Was hat das zu bedeuten?“ schrie Grinder, indem er sich vergeblich loszureißen suchte.
    „Das soll heißen, daß ihr wegen Raubmordes arretiert seid“, antwortete der Kapitän.
    Nun folgte eine Szene, welche nicht zu beschreiben ist. Nicht etwa, daß die beiden Menschen Widerstand leisten, sich zu befreien suchten; dazu waren sie zu feig. Ihre Taten bestanden nur in Worten, die sie zu ihrer Verteidigung vorbrachten; aber was für Worte und Reden waren das? Flüche, Schwüre, Beteuerungen und Verwünschungen derart, daß mir die Haare zu Berge stehen wollten. Ein erblinden und wahnsinnig werden wollen folgte dem andern; solche Lästerungen hatte ich in meinem Leben noch nicht gehört; es war mir, als ob ich in diesem Schwall der sündhaftesten Ausdrücke ersticken müsse, und ich holte tief und erleichtert Atem, als die Lästerer endlich hinausgeschafft waren, um eingesperrt und bis zum Verhör streng bewacht zu werden. Selbst mein sonst so überlegener Winnetou, den nichts aus der Fassung zu bringen vermochte, drückte mir seine Finger in schmerzender Weise in den Arm und sagte:
    „Scharlieh, würde sich jemals ein roter Mann so gebärden und seinen himmlischen Manitou in solcher Weise beleidigen? Wer kann da noch behaupten, daß die Bleichgesichter besser und gebildeter seien als die eingeborenen Kinder der Savanne? Wenn es einen wilden Westen gibt, so ist er nur durch die weißen Eindringlinge, die wir einst wie Götter behandelt haben, verwildert worden! Howgh!“
    Howgh war bei ihm das Wort heiligster Beteuerung, gleichbedeutend mit unserem Amen. Scharlieh, so pflegte er meinen Vornamen Karl auszusprechen.
    Nach einiger Zeit kamen die sechs Kavalleristen von der Bestattung der Ermordeten zurück. Sie brachten alles mit, was sie in den Taschen derselben noch vorgefunden hatten. Es befanden sich Notizen dabei, durch welche wir die genauen Adressen ihrer Verwandten erfuhren. Dann wurde das Kommando zum Mittagessen gegeben. Ich wurde selbstverständlich mit Winnetou zur Offizierstafel gezogen. Offizierstafel! Es gab so viel Gänge, wie man wollte; man brauchte sie sich nur von der Hirschkeule, welche auf einem ungehobelten Brettstück präsentiert wurde, herunterzuschneiden.
    Dann wurden die Mitglieder des Gerichtshofs zusammengerufen, welcher aus den Offizieren und drei Unteroffizieren bestand. Winnetou und ich hatten in der Eigenschaft als Zeugen beizuwohnen, und auch die Caddo-Indianer mußten erscheinen, um etwaige Fragen zu beantworten. Als diese Personen alle beisammen waren, wurden Grinder und Slack geholt. Sie erschienen gefesselt und wurden von je zwei Soldaten bewacht.
    Die beiden Angeschuldigten sahen nicht etwa sehr niedergeschlagen aus; ihr Auftreten war vielmehr ein recht zuversichtliches, und es klang sogar geradezu frech, als sie erklärten, daß sie die Kompetenz der anwesenden Jury nicht anzuerkennen vermöchten. Sie wußten jedenfalls und pochten darauf, daß der frisch gefallene Schnee uns die Möglichkeit genommen hatte, vollgültige Beweise zu

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