30 - Auf fremden Pfaden
die Schuld oder die Unschuld der Angeklagten blutig auszufechten. Noch als die letzteren wieder abgeführt wurden, lachten sie über uns und warfen im Hinausgehen Schimpfworte zur Tür herein, die ich hier unmöglich wiedergeben kann. Sie wurden natürlich wieder eingeschlossen. Ihre ganze Zuversicht fußte auf den beiden Umständen, daß sie sehr sorgfältig ausgesucht worden waren, ohne daß man eine Spur des geraubten Goldes bei ihnen gefunden hatte, und daß sie uns für furchtsame Neulinge hielten, denen es gar nicht einfallen würde, heut abend acht Uhr noch auf Fort Hillock anwesend zu sein.
Als sie fort waren, wagte der Kapitän es natürlich nicht, uns einen Rat zu erteilen. Für ihn war der Ausgang eines Duells zwischen Winnetou und Old Shatterhand und zwei solchen Strolchen vollständig zweifellos, und die ganze Besatzung des Ortes war entzückt darüber, daß ein so hochinteressantes Ereignis sich hier abspielen sollte.
Wir sahen uns den Schuppen an. Er stand unter einem Baum und war aus rohen, starken Brettern zusammengefügt. An der Außenseite der Tür war ein langer, schwerer Holzriegel angebracht. Zur Zeit befand sich im Innern nichts als ein wenig Streu, welche im rechten, hinteren Winkel lag.
Wir unterhielten uns bis fast acht Uhr mit den Offizieren, ohne das Duell besonders in Erwähnung zu bringen. Wiederholt aber ließ die Gefangenenwache melden, daß Grinder und Slack gefragt hätten, ob wir noch anwesend seien. Punkt acht Uhr wurden sie nach dem Schuppen transportiert und bekamen ihre Messer. Dann übergaben wir alle unsere Waffen, natürlich außer den Messern, dem Kapitän, nahmen unsere warmen Decken und ließen uns nach dem Schauplatz des Kampfes führen. Wir traten mit dem Kapitän und den Leutnants in das Innere des Schuppens; ein Soldat leuchtete mit einer Kienspanfackel. Grinder und Slack lehnten an der hintern Wand, mit ihren Messern in den Fäusten.
„Da kommen sie!“ höhnte Grinder. „Sie fliegen in ihr Verderben wie die Mücken in das Licht. Warum bis morgen früh warten? Die Tür kann schon in einer Viertelstunde geöffnet werden, denn bis dahin haben wir die Kerls an die Hölle abgeliefert!“
Das sollte sehr zuversichtlich klingen, aber wir hörten wohl, daß seine Stimme zitterte. Nun sich ihre Berechnung, daß wir verschwinden würden, als trügerisch erwies, trat die Angst bei ihnen ein. Während wir unsere Decken in der Ecke rechts ausbreiteten, als ob wir uns dann da niederlassen wollten, klärte der Kapitän die Prahler auf:
„Es ist freilich möglich, daß es so rasch geht, wie ihr denkt, aber sehr wahrscheinlich mit dem grad entgegengesetzten Erfolg. Ihr wißt ja gar nicht, wer dieser Mr. Beyer und sein Indianer eigentlich sind.“
„Wer sollen sie sein!“ lachte Slack. „Leute, die hinter den Ohren noch nicht trocken sind. Gott soll mich heut hier in diesem Schuppen wahnsinnig machen, wenn diese Kerls nach Verlauf von einer Stunde noch einen einzigen Tropfen Blutes in den Adern haben!“
„Hört nun endlich auf mit euern Lästerungen! Wenn eure Worte in Erfüllung gehen, verlaßt ihr diesen Ort nicht anders als der eine blind und der andere irrsinnig. Ihr sollt jetzt endlich erfahren, mit wem ihr es zu tun habt. Diese Gentlemen sind nämlich Old Shatterhand und sein roter Freund Winnetou, von denen wir überzeugt sind, daß sie den Schuppen vollständig unverletzt verlassen werden.“
„Old Shatt – – – Winn – – –!“ erklang es an der Hinterwand; sie konnten vor Schreck die Namen gar nicht vollständig aussprechen, und es dauerte eine ganze Weile, bis Grinder hinzufügte: „Ich will gleich erblinden, wenn das nicht eine freche und ganz verdammte Lüge ist!“
Da ging ich auf ihn zu, faßte ihn mit der rechten Hand beim Gürtel, hob ihn hoch empor und warf ihn gegen die Wand, daß alle Pfosten und Bretter krachten; dann ging ich ohne ein Wort zu sagen, wieder an meinen Platz zurück. An meiner Stelle aber sagte der Kommandant, während Grinder sich ächzend und fluchend vom Boden aufraffte:
„Das war der richtige Beweis, daß ich die Wahrheit gesagt habe. So ein Kraftstück mit einer Hand kann nur Old Shatterhand ausführen. Glaubt ihr nun, daß er es ist?“
„Hol euch der Teufel!“ zischte da Slack. „Das ist Betrug; das ist Hinterlist! Warum wurde uns nicht eher mitgeteilt, wer diese Leute sind? Sie werden uns hier langsam und sicher abschlachten, im Dunkeln meuchlerisch niederstechen! Das ist noch schlimmer, als wenn man
Weitere Kostenlose Bücher