302 - Wo der Wahnsinn regiert
Steinblöcken.
»Ich nehmse dir ab«, murmelte der Größte von ihnen, der gut zwei Meter zwanzig maß, und hob Xij von Matts Schulter, als wöge sie nichts. Der Mann war breitschultrig wie ein Barbar und Matt glaubte sogar eine Ähnlichkeit mit dem Mann zu erkennen, den er nur wenige hundert Meter entfernt niedergeschlagen hatte. Allerdings trug der Wachmann das Haar deutlich kürzer und seine Rüstung aus Leder und Metall sah gepflegt aus.
Matt machte sich keine weiteren Gedanken darüber. Xijs Zustand war dramatisch, und er fühlte sich hilflos und wütend. Was, wenn sie starb, ehe der Heiler sie behandeln konnte?
Matt hastete neben dem Hünen her, auf das rot angemalte Tor zu, obwohl er kaum noch Atem hatte und seine Seite heftig stach. »Gibt es... hier so was wie eine Notaufnahme?«, brachte er hervor.
»Geh halt erstma rein«, sagte der Hüne gutmütig. »Isses dein Sohn?«
Matt schüttelte den Kopf. Es passierte häufig, dass man Xij für einen Jungen hielt. Gemeinsam passierten sie das Torhaus. Einer der beiden symmetrischen Türme war eingestürzt. Vermutlich stammte die Steinbarrikade aus dessen Trümmern. Matt sah in den unteren Schlosshof, der erstaunlich gut erhalten war. Einige Steine waren ersetzt worden und man sah deutliche Qualitätsunterschiede in der Bearbeitung. Trotzdem wirkten die Mauern solide.
Eine Frau um die Fünfzig mit asiatischen Zügen und dunklen Haaren kam ihnen entgegen, kaum dass sie den Hof betraten. Weitere Wachen musterten Matt neugierig. Die Frau bedeutete dem Hünen, Xij abzulegen, und presste ihre Finger auf ihren Hals. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, aber sie sagte kein Wort.
»Sie hat kaum noch einen Puls. Wir müssen zum Heiler«, sagte Matt eindringlich. »Meine Begleiterin leidet an einer Strahlenerkrankung.« Der Wächter sah erst ihn, dann Xij erstaunt an, sagte aber nichts. Vermutlich musste er die Information erst verarbeiten.
Die Asiatin ließ Xijs Hals los und sah Matt an. Ihre Halbmondaugen schauten ausdruckslos. Sie wollte sich abwenden, doch Matt ergriff ihre Hand am Gelenk. »Ich will mit dem Heiler sprechen. Sofort.«
Der Hünenhafte knurrte drohend, trotzdem ließ Matt die Frau nicht los. Sie sah ihn an, dann nickte sie stumm.
Der Wächter zog Matt unsanft von ihr fort. »Yuna bringt dich hin. Aber du fasstse nich nochma an, hörste?«
Matt nickte. Wahrscheinlich hätte er in diesem Moment alles versprochen, wenn man ihm nur versichert hätte, Xij helfen zu können. Er hob seine Begleiterin hoch und sah, wie ihre Augenlider zuckten, als würde sie träumen. Der Hünenhafte wollte ihm helfen, doch Matt schüttelte abwehrend den Kopf.
Er folgte der dunkelhaarigen Frau über eine Freitreppe in den höher gelegenen Hof, der mit farbigen Fresken verziert war. Im Eilschritt liefen sie zu einem Eingang. Wenn er sich richtig erinnerte, steuerten sie direkt auf den Palas [3] zu, in dem der König damals nach der Fertigstellung in mehreren Prunkräumen hatte leben wollen.
Drei Männer traten ihnen entgegen, die Matt verwundert blinzeln ließen. Während die Wachen zweckmäßig gekleidet waren und die Frau einen schlichten Hosenrock und ein weiches, beigefarbenes Wolloberteil trug, waren diese Männer reine Gecken. Sie trugen mittelalterliche Kleider in prachtvollen Farben, die an den Theaterfundus erinnerten. Dabei wiesen sie, wie die Frau, asiatische Züge auf. Davon konnten auch die blonden Perücken nicht ablenken.
»Willkommen auf Swaanstein«, sagte einer von ihnen in gebrochenem Deutsch, mit einer weit ausladenden Geste, der eine kaum wahrnehmbare Verneigung folgte. Sein Auftreten war so selbstgefällig, als würde ihm die Burg gehören. »Mein Name ist Stefaan Gugell, und das ist Antonn Tirool.«
Der andere Mann sagte etwas, das Matt aufgrund des starken Akzents nicht verstand. Im Gegensatz zu seinem Begleiter konnte er kein L aussprechen und hatte auch mit dem K seine Probleme. Das wies auf Japaner hin.
Matt hob Xij auf seinen Armen an. »Mein Name ist Matthew Drax und ich muss zum Heiler. Sofort.« Sahen diese beiden Kasperfiguren denn nicht, dass hier gerade ein Mensch mit dem Tode rang? Für Begrüßungsreden war später Zeit.
Stefaan hob eine Hand. »Tuuris! Immer haben sie es eilig. Aber gut, kommen Sie mit, Herr Drax. Ich werde sehen, ob ich eine Audienz für Sie und Ihren Freund erwirken kann.«
Matt verzichtete mit zusammengebissenen Zähnen auf einen Kommentar, aber er merkte sich das Gesicht des schlanken Mannes. Man sah sich
Weitere Kostenlose Bücher