Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Liebe! Wenn das hier wieder beginnt und so weitergeht wie bisher, so mache ich es wie der Teufel dort auf dem Bild: Ich stürze mich in den Abgrund und nehme meine ‚Hen‘ mit mir! Dann mögt ihr euch lieben, solange Ihr wollt, meinetwegen in Ewigkeit; ich aber habe dann meine Ruhe!“
    Er faßte sich an der Brust und zerrte da am Gewand herum, als ob er sich selbst zerreißen wolle; aber Waller begann nun wieder:
    „Tragt Euer Evangelium hinaus,
Indem Ihr's lebt und lehrt an jedem Orte,
Und alle Welt sei Euer Gotteshaus,
In welchem Ihr erklingt als Engelsworte.
Gebt Liebe nur, gebt Liebe nur allein;
Laßt ihren Puls durch alle Länder fließen;
Dann wird die Erde Christi Kirche sein
Und wieder eins von Gottes Paradiesen!“
    Zu dieser Strophe verhielt sich Dilke anders als zu der vorigen. Er wartete mit seinen Einwendungen nicht, bis sie fertig gesprochen war, sondern er brüllte seine Bemerkungen direkt in die Zeilen hinein.
    „Lebt, lebt, lebt!“ schrie er. „Ich soll mein Evangelium leben! Während alle andern ihr Leben genießen, soll ich der einzige Heilige sein, ein Fakir, ein Anachoret, ein Büßer, der die Sünden der andern trägt; ich danke! – – – Alle Welt mein Gotteshaus – – – und dann jeder Mensch und jeder Mongole und Hottentott mein Bruder! Verrückt, verrückt! – – – Engelsworte! Zunächst haben wir über etwas ganz anderes zu reden! – – – Liebe nur, Liebe allein, Liebe, Liebe, überall nichts als Liebe! Jetzt kommen sie; jetzt sind sie da, die Bläser, die Pfeifer, die Quieker, die Ohren- und die Nervenmörder! Wo soll ich hin, wo soll ich hin?! – – – Christi Kirche – – – Gottes Paradies! Mensch – Schurke – Schuft, merkst du denn nicht, daß du wahnsinnig bist, blöde, umnachtet, toll, verrückt, ein Trottel, ein Narr, ein Idiot! Hörst du denn nicht, daß du schon gar nicht mehr vernünftig reden kannst, sondern nur noch quiekst – quiekst – quiekst! Wenn du nicht aufhörst, schlage ich dich nieder – – – hier auf der Stelle!“
    Er zog die Finger wie zu Krallen zusammen und wollte sich auf Waller stürzen. Da aber trat ihm Tsi entgegen, bohrte ihn mit den Augen fest und wiederholte in dringender, schwer gewichtiger Weise:
    „Gebt Liebe nur, gebt Liebe nur allein;
Laßt ihren Puls durch alle Länder fließen;
Dann wird die Erde – – –“
    Er kann nicht weiter, denn Dilke brüllte wutheulend auf:
    „Nun auch noch der – der – der! Das ist die ‚Shen‘, die ‚Shen‘! Nun wohl, so mache ich es wie der Teufel: Ich stürze mich in die Tiefe!“
    Er rannte nach der Tür, nicht nach der hintern, durch die er gekommen war, sondern nach der vorderen. Als er sie erreichte, blieb er stehen, drehte sich nach uns um, kam eine ganze Zahl von Schritten wieder zurück, langsam, bedächtig, überlegend, und sagte dann wie heimlich, aber doch so laut, daß wir alle es hörten:
    „Wir sind nämlich zwei Raufbolde, ein religiöser und ein zivilisatorischer. Der religiöse bin ich; der zivilisatorische ist er. Ich bin der Oheim, und er ist der Neffe. Ich heiße Waller und er heißt Dilke. Ich muß hinunter in den Schlund. Er weiß nichts davon, obgleich ich es Euch durch seinen Mund gesagt habe; aber er muß mit. Schade um ihn! Er hätte so gut, so außerordentlich gut für mich gepaßt, wenn ich bleiben dürfte! Er war eine bessere, viel bessere Waffe als dort der Alte. Den bin ich los – und er mich auch – – – für alle Ewigkeit!“
    Als er dies gesagt hatte, nickte er uns auf ganz eigenartige Weise zu, machte mit dem Arm eine Bewegung, die wir uns nicht deuten konnten, wendete sich nach der Tür zurück und ging hinaus.
    „Omar, schnell, ihm heimlich nach“, befahl ich meinem Sejjid; „damit wir erfahren, ob er auch wirklich geht, und wohin!“
    Er folgte ihm augenblicklich. Ich ließ Waller nun wieder auf sein Lager nieder, übergab ihn den beiden Ärzten und wollte mich dann schnell entfernen.
    „Wohin?“ fragte mich Tsi, von andern ungehört.
    „Auch hinaus“, antwortete ich. „Mein Diener ist vielleicht nicht genug.“
    „Und wenn Sie tausend Menschen mit sich nähmen, Sie würden doch nichts ändern können. Heute abend wird die alte Wallersche Hauspostille zugeschlagen und versiegelt, für immer und für ewig; darauf können Sie sich verlassen! Doch gehen Sie, damit Sie sich überzeugen. Aber sobald Sie sehen, daß ich recht habe, so bitte, schweigen Sie, bis Sie mich wieder sprechen können.

Weitere Kostenlose Bücher