Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
vollständig in grünes Geranke und vielfarbige Blüten gehüllt, in der Hand einen langen Stab, an dessen Spitze eine Anzahl Arekanüsse hingen und über ihnen eine weiße Pappe mit dem Zeichen ‚Shen‘. Er stellte die Chinesen in einer Reihe quer vor uns auf, setzte sich in seine eindrucksvollste Positur, schwang den Stab einige Male hin und her und begann teils arabisch, teils englisch, malaiisch und chinesisch, wie es ihm grad auf die Zunge kam, folgendermaßen zu sprechen:
    „Wir sind eine Deputation von Aufwieglern, Rebellen und Empörern. Wir wollten eine große Revolution machen, aus der aber nichts geworden ist, weil wir nichts davon wußten. Und als wir es erfuhren, da machten wir nicht mit. Denn als der Ho-Schang seine Rede auf dem großen Platz, in Shen-Fu gehalten hatte, da wurden plötzlich alle gescheit, die dumm gewesen waren. Das darf aber bei einer richtigen Revolution nicht sein, und darum wurde es eben keine! Die Fremden aus dem Abendland hatten uns über die große, menschenfreundliche ‚Shen‘ belogen. Sie hatten sich sogar lustig über sie gemacht und sie als eine Albernheit bezeichnet, die bei ihnen gar nicht vorkommen könne. Aber hier bei euch erkannten wir dies als die größte Lüge, zu welcher in unserem Land und in unserem Volk gar niemand fähig wäre. Darum bereuten wir es, diesen Fremden unser Vertrauen geschenkt zu haben. Wir beschlossen, euch um Verzeihung zu bitten, und wählten unter uns eine Gesandtschaft von zwölf Männern aus, welche die Macht besaßen, sich als unsere Deputation zu euch zu begeben, um an unserer Stelle zu euch zu reden. – – – Sobald wir uns gewählt hatten, gingen wir aus dem Dorf herauf nach dem Schloß. Aber als wir es erreichten, war unsere Macht zu Ende, denn wir bekamen Angst und fürchteten uns, vor euch zu erscheinen. In dieser Not waren wir so glücklich, mich zu finden, weil ich grad von der Kapelle herunterkam und dabei an uns vorüberging. Wir faßten Mut und fragten mich nach euch. Ich aber antwortete uns sehr freundlich und bereitwillig, weil ich doch zu unserer ‚Shen‘ gehöre. Ich erteilte uns den besten Rat, den es gab. Ich sagte uns, daß ich der einzige Mann sei, der uns Hilfe bringen könne, weil ich so gut chinesisch rede. Ich machte ihnen diesen Stab des Friedens und der Verzeihung, und sie putzten mich mit Blättern und mit Blumen an. Dann führte ich uns hierher. Seit ich zum Rädelsführer der Verschwörer ernannt worden bin, haben wir ganz neuen Mut gewonnen, und ich bitte um die Erlaubnis, meine Rede halten zu dürfen, damit ich sagen kann, was wir von euch und von der ‚Shen‘ uns wünschen!“
    Diese Einleitung machte einen so vorzüglichen Eindruck auf uns, daß wir gleich alle zusammen antworteten, er solle nur so schnell wie möglich anfangen. Da hielt er uns denn eine Rede, die ich trotz ihrer Mängel als ein kleines Meisterstück bezeichnen möchte. Ja, es ist wahr, wir kamen aus dem Lächeln über seine eigenartige Ausdrucksweise gar nicht heraus, aber auch nicht aus der herzlich tiefen Rührung, in der er uns ohne Unterbrechung festzuhalten wußte. Sie hätten gar keinen besseren Dolmetscher ihrer Reue, ihrer Umkehr und ihrer guten Vorsätze finden können, diese sogenannten Rebellen und Empörer. Daß sie einsahen, verführt worden zu sein und üble Vorsätze gehabt zu haben, das brauchte uns nicht zu wundern, denn sie waren ja denkende Menschen. Aber sie ließen uns bitten, sich oben an der Kapelle versammeln zu dürfen, wo der Reverend im Namen der ‚Shen‘ zu ihnen sprechen und ihnen ihre Sünden verzeihen möge! Und nach der Ursache dieses Wunsches gefragt, ließen sie durch den Sejjid erklären, sie seien aus Feinden in Freunde der ‚Shen‘ verwandelt worden, sie möchten aber noch mehr werden, nämlich Mitglieder; dies sei aber ohne vollständige Vergebung nicht möglich, und hierzu müsse ihrer Ansicht nach nicht ein gewöhnlicher Mann, sondern ein Priester erforderlich sein. Das war doch mehr als das, was man erklärlich oder gar selbstverständlich nennt!
    Der Reverend fragte bei Fu und John mit einem Blick an. Beide nickten. Darum gab er den Bittstellern den Bescheid:
    „Der Tag der Feindschaft gegen uns ist fast vorüber. Nur eine Stunde noch, dann ist es Mitternacht. Bringt eure Leute her, um diese Zeit des Schrittes in das Neue! Ich will mit einem Gotteswort beim Klang der Orgel euch hinüberleiten. Ihr ahnt den bessern Morgen. Ihr sollt ihn nicht bloß ahnen, sondern sehen, miterleben.

Weitere Kostenlose Bücher