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322 - Götterdämmerung

322 - Götterdämmerung

Titel: 322 - Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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heiligen Höhle führten. Keuchend und erleichtert sprang Glymjandi sie empor und betrat das Gewölbe, das die alte Seherin den Tempel nannte.
    Wind heulte durch die zerklüfteten Löcher und Spalten, die das Wetter in die Felsen gefressen hatten. Überall steckten und hingen Vogelfedern, blutgetränkte Stoffstreifen und getrocknete Kräutergebinde in den Steinwänden. Auf einem flachen Findling in der Mitte der Grotte lagen kleine Tierknöchelchen. Drumherum waren unzählige Runen in den Boden geritzt. Einen Steinwurf dahinter gähnte der Schacht, durch den man über ein Seil nach unten gelangte: zum Ausgang des Kuppelmassivs, der in den Gebirgspfad auf Höhe der Gletscherzunge mündete.
    Glymjandi huschte zur gegenüberliegenden Felswand und blickte aus einer der zerklüfteten Öffnungen nach draußen. Graue Wolken verhüllten im Norden die Gipfel. Die Bergrücken darunter waren schneebedeckt und die fahl schimmernde Gletscherzunge hob sich deutlich ab. Ein zufriedenes Lächeln huschte über das Gesicht des kleinwüchsigen Mannes, als er das Feuertor erblickte.
    Für Normalsterbliche eine unscheinbare Senke. Doch nicht für Glymjandi. Rotes Licht schimmerte dort. Bei Tag und bei Nacht. Manchmal kaum wahrnehmbar, manchmal lodernd wie Flammen. Außer ihm und der alten Widda konnte keiner seines Dorfes es sehen. Mochte Glymjandi auch ein Zwerg sein, mochte er den Verstand eines Kindes haben: Diese Fähigkeit machte ihn für die Leute aus Jotunheimen zum Liebling der Götter. Und eines Tages würde einer dieser Gottheiten durch das Tor kommen. Da war der Kleinwüchsige sich sicher.
    Beflügelt von diesem Gedanken sprang Glymjandi zum Schacht. Er hatte ihn noch nicht erreicht, als ihn ein merkwürdiges Grollen innehalten ließ. Verdutzt hob der Zwerg den Kopf und lauschte. Ein Raubtier? Hier?
    Doch das Grollen wurde lauter. Von allen Seiten drang es auf ihn ein. Es klang jetzt, als würden sich mächtige Felsen aneinander reiben. Plötzlich schwankte der Untergrund und Glymjandi fiel zu Boden. Der Berg stürzt ein , war sein erster Gedanke.
    Tatsächlich wackelte und bebte das ihn umgebende Gemäuer, als würde es jeden Augenblick auseinanderbrechen. Das Grollen war inzwischen zu Donner angeschwollen, und nun glaubte der Kleinwüchsige, dass Thor persönlich gekommen war und mit seinem mächtigen Hammer auf den Berg einschlug.
    Glymjandi rappelte sich auf die Füße und schwankte zur Sichtöffnung zurück. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er sah, wie das Feuertor in lodernden Flammen stand. So gleißend, so heftig wie nie zuvor.
    Während er sich an die schartige Kante der Felsenöffnung klammerte, beobachtete er fassungslos, wie aus dem Nichts drei Gestalten erschienen, als würde der Gletscher sie ausspucken. Der Kleinwüchsige sah einen Mann und einen schmalen Jungen, beide mit blondem Haar – und einen Hünen in einer grün schimmernden Rüstung, die den ganzen Körper bedeckte. Dann stoben Schneewolken auf, als die Gestalten auf den abschüssigen Hang stürzten und in verschiedene Richtungen davon rutschten.
    Glymjandi heftete seinen Blick auf die Größte von ihnen. Ihre grüne Rüstung glitzerte, während sie durch den Neuschnee glitt. Schneller als er gedacht hätte, fand sie Halt und richtete sich auf.
    Und als sich der vermeintliche Hüne zu Glymjandi umdrehte, erkannte der seinen Irrtum: Keine Rüstung, sondern unzählige Schuppen bedeckten den Körper! Keine Haare, keine Ohren waren zu sehen, und sein Antlitz glich dem einer Echse.
    »Jörmungandr!« Glymjandi rang entsetzt nach Luft. »Die Midgardschlange in Menschengestalt!« Als das Untier nun auch noch seinen Blick auf ihn heftete, warf der Zwerg sich flach zu Boden. »Armer Glymjandi«, jammerte er. »War gehorsam, war brav. Hat alles richtig gemacht.« Fieberhaft überlegte er, was zu tun sei. Um ihn dröhnten Geräusche von polterndem Geröll und in der Ferne hörte er ein anschwellendes Rauschen. »Soll wachen. Widda hat’s befohlen. Soll wachen.«
    Plötzlich wusste der Zwerg, was zu tun war. »Muss die anderen warnen«, keuchte er. Und während er auf dem Bauch zum Höhleneingang robbte, ging draußen die Welt unter. Jedenfalls glaubte er das.
    ***
    Bevor er überhaupt etwas sehen, hören oder denken konnte, spürte Matthew Drax, wie er aus dem Zeitportal mehrere Meter durch die Luft geschleudert wurde. Dann landete er unsanft und schlidderte bäuchlings über einen abschüssigen Untergrund. Hart und kalt. Während er mit Händen und

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