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322 - Götterdämmerung

322 - Götterdämmerung

Titel: 322 - Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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Xijs Hand. Plötzlich hörte er peitschenartige Geräusche über sich. Ein Blick nach oben. Grao’sil’aana!
    Der Daa’mure hatte seine Arme zu langen Tentakeln ausgebildet, wie er es schon einmal in Dapur getan hatte. Sie schnellten herab, umschlangen Matt und Xij und katapultierten sie mit einem Ruck aus der eisigen Falle. Er hielt seine kostbare Fracht fest, während sein wandelbarer Körper nun Schwingen ausbildete und er sich mit weiten Sprüngen in Bewegung setzte. Fliegen konnte er nicht; schon gar nicht mit dieser Last. Aber er glitt schneller den Hang hinab, als sie es zu Fuß hatten schaffen können.
    Dennoch reichte es nicht. Die Lawine war schneller. Donnernd krachten die Schneemassen herab und formierten sich zu haushohen Wellen. Brüllend rauschten sie über die Gletscherzunge, begruben das Portal und Matthews Traum von einer schnellen Weiterreise unter sich.
    Matt und Xij sahen einander in die Augen. Und da wurde ihm – nicht zum ersten Mal – bewusst, wie viel ihm diese Frau inzwischen bedeutete. Mehr, als ihm lieb war! Irritiert über seine Gefühle, wich er dem Blick seiner Begleiterin aus. Wir sind Freunde und Reisegefährten. Nicht mehr und nicht weniger! Außerdem gab es im Moment wichtigere Dinge, als über seine Gefühlswelt nachzudenken.
    Die ersten Ausläufer der Lawine hatten sie beinahe erreicht, als Grao plötzlich einen abrupten Richtungswechsel vollzog. Hatte er etwas gesehen, das Rettung versprach?
    Die Hoffnung darauf ging in wirbelnden Schneemassen unter...
    ***
    Jotunheimen
    In den Dörfern der Hochebene von Jotunheimen herrschte helle Aufregung, als die Erde plötzlich bebte und schwankte und Donnerschläge aus dem Gebirge für Unruhe unter den Wikingern sorgten. Die Menschen liefen schreiend aus Unterkünften und Ställen. Sie versammelten sich um ihre Anführer und riefen die Götter an. Einige befürchteten, Hel und ihre Heerscharen würden aus der Unterwelt emporsteigen. Andere glaubten, Ragnarök, die Rache der Riesen, hätte begonnen. Oder rief Thor sie mit den Schlägen seines Hammers Mjölnir in den Kampf? Die Tollkühnsten unter ihnen bewaffneten sich, um in die letzte Schlacht zu ziehen. Doch die meisten waren sich sicher, jemand habe die Götter erzürnt. Sie beschuldigten Nachbarn und Brüder und gingen aufeinander los.
    Während den allgemeinen Bemühungen, die Streithähne zu trennen, bemerkten sie nicht gleich, wie das Beben verebbte und eine unnatürliche Stille eintrat. Stumm warteten sie. Spürten weder Kälte noch das plötzlich einsetzende Schneetreiben. Warteten auf ein Zeichen ihrer Götter.
    Doch es kamen keine Riesen die Berge herab, und aus dem Inneren der Erde war kein Mucks mehr zu hören. In den meisten Wikingerdörfern beschloss man, sich in die Gemeinschaftshallen zurückzuziehen, um über die Ereignisse zu beratschlagen.
    In Lom, einer Siedlung jenseits des Moores, forderte der Seher Urg den einäugigen Häuptling auf, dem Gott Odin ein Elchkalb zu opfern. In Jotunheimen, das nach der Gebirgsregion benannt war und den Bergen am nächsten lag, herrschte dagegen Uneinigkeit über das, was zu tun wäre. Die Seherin der Siedlung lebte außerhalb, im Fjellwald am Fuße der Berghänge. »Wo ist Widda? Warum hat sie uns nicht gewarnt?«
    Häuptling Efstur, ein schwergewichtiger Anführer, blickte grimmig zu den Berggipfeln im Norden. »Vielleicht hat sie das Ereignis nicht vorhergesehen.« Er rieb sich die Knollennase und spuckte zu Boden. »Sie wird schon auftauchen und uns die Vorgänge erklären«, versuchte er die Leute zu beruhigen. »Lasst uns gemeinsam in der Halle auf sie warten und Met trinken.«
    Doch die Leute teilten seine Gelassenheit nicht. Manche ließen ein empörtes Schnauben hören, andere maßen ihn mit argwöhnischen Blicken. Schließlich drängte sich Frega, seine Hauptfrau, durch die Menge nach vorn. Mit verschränkten Armen baute sie sich vor ihrem Gatten auf.
    »Mehr fällt dir dazu nicht ein?«, schnauzte sie. »Met saufen und abwarten? Ich sage dir, irgendwas geht vor dort oben!« Vorwurfsvoll deutete sie mit spitzem Zeigefinger auf die fernen Gipfel. »Vielleicht sind Dämonen durch das Feuertor gekommen oder Thor will uns vor drohender Gefahr warnen. Was auch immer, wir sind die Wächter der Bergpforten. Und deine Aufgabe ist es, herauszufinden, was geschehen ist. Also geh und suche die alte Widda auf.«
    Die Umstehenden stimmten Frega lautstark zu. Seit Generationen galt das Bergvolk von Jotunheimen als Wächter der

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