34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
so! Will es mir überlegen. Wann aber wollen Sie hinüber?“
„So bald wie möglich.“
„Da werde ich wohl nicht können, denn ich habe noch einiges abzumachen, was nicht aufgeschoben werden darf. Übrigens befindet sich der Freund, den ich Ihnen empfehlen will, auch nicht hier. Ich müßte Sie zu ihm führen, und das ist ein weiter Weg ins Paraguay hinein. Dieser Umweg würde sich aber gewiß lohnen, denn er ist ein Mann, an den kein zweiter kommt, der berühmteste und gewandteste Sendador, den es nur geben kann. Wollen Sie sich die Sache nicht wenigstens überlegen? Sie kommen trotz des Umweges mit ihm weit eher und wohlbehaltener ans Ziel als mit einem Führer, mit welchem Sie sofort aufbrechen können, dessen Unkenntnis Ihnen aber bedeutende Zeit- und auch andre Verluste bereiten würde.“
„Wann und wo kann ich Sie treffen, um Ihnen meinen Entschluß mitzuteilen?“
„Eigentlich wollte ich nur bis morgen hier bleiben; aber ich will noch einen Tag zulegen. In meine Herberge mag ich Sie nicht bemühen; lieber komme ich zu Ihnen.“
„Schön! Kommen Sie morgen am Mittag nach dem Hotel Oriental, wo Sie mich in meinem Zimmer treffen werden. Ich glaube, bis dahin eine Entscheidung getroffen zu haben.“
„Ich werde mich pünktlich einstellen, Señor. Darf ich fragen, ob Sie mit Señor Tupido in geschäftlicher Verbindung stehen?“
„Das ist nicht der Fall. Ich gab ein Empfehlungsschreiben ab.“
„Hat er Sie eingeladen?“
„Ja. Für heute abend acht Uhr in seine Privatwohnung.“
„Die kenne ich. Sie befindet sich auf der Straße, welche nach La Union führt. Es ist eine kleine, prächtige Villa, welche Ihnen sehr gefallen wird. Leider möchte ich bezweifeln, daß die Bewohner Ihnen ebenso gefallen.“
„Wenn sie dem Señor ähneln, so werde ich mich bei ihnen nicht übermäßig amüsieren.“
„So! Hm! Seine Person hat also auch Ihnen nicht behagt?“
„Gar nicht. Es kam sogar zu einem kleinen Zusammenstoß zwischen ihm und mir.“
Er hatte während der letzten Minuten den Blick meist draußen auf der Straße gehabt, als ob er dort nach etwas forsche. Da ich mit dem Rücken nach dieser Richtung saß, konnte ich nicht sehen, was seine Aufmerksamkeit so sehr in Anspruch nahm. Jetzt fuhr er im Ton der Besorgnis auf:
„Caramba! Haben Sie ihn etwa dabei beleidigt?“
„Einige scharfe Worte hat es gegeben, aber von einer eigentlichen, wirklichen Beleidigung ist wohl keine Rede.“
„Und Sie werden trotz der Differenz, welche Sie mit ihm hatten, zu ihm gehen?“
„Ja. Warum nicht?“
„Tun Sie es immerhin! Aber nehmen Sie sich in acht! Man vergißt Beleidigungen hier nicht so leicht. Die Rache trägt zuweilen ein außerordentlich freundliches Gesicht.“
„Haben Sie Grund zu dieser Warnung?“
„Ich vermute es. Bitte, drehen Sie sich doch einmal um! Sehen Sie den Mann, welcher grad gegenüber an der Gittertür lehnt?“
Der Mensch, welchen der Yerbatero meinte, stand vis-à-vis am verschlossenen Eingang des Hauses, ganz in der nachlässigen Haltung eines Mannes, dessen einzige Absicht es ist, zu seiner Unterhaltung das Treiben der Straße zu beobachten. Er war in Hose, Weste und Jacke von dunklem Stoff gekleidet, trug einen breitrandigen Sombrero auf dem Kopf und rauchte mit sichtbarem Behagen an einer Zigarette.
„Ich sehe den Mann“, antwortete ich. „Kennen Sie ihn?“
„Ja. Er ist bekannt als einer der verwegensten Agenten für gewisse Geschäfte, bei denen es auf einige Unzen Blut nicht ankommt. Er beobachtet Sie.“
„Nicht möglich!“
„Bitte! Ich sage es Ihnen, und Sie können es glauben. Als ich an der Ecke der Plaza de la Independencia auf Sie wartete, bemerkte ich ihn, daß er ebenso stand wie jetzt, scheinbar ganz unbefangen, aber den Blick doch scharf auf das Geschäftshaus von Señor Tupido gerichtet. Als Sie aus demselben traten, ging er uns nach und stellte sich da drüben auf. Mir kann seine Aufmerksamkeit unmöglich gelten, folglich gilt sie Ihnen.“
„Vielleicht irren Sie sich doch. Es ist nur ein Zufall, daß er in gleicher Richtung mit uns ging.“
„Und auch Zufall, daß er sich da drüben aufstellte? Nein. Solche Zufälle gibt es hier nicht. Beobachten Sie ihn unbemerkt, wenn Sie von hier fortgehen, und Sie werden ganz gewiß sehen, daß er es auf Sie abgesehen hat. Sagen Sie mir morgen wieder, ob ich recht gehabt habe oder nicht. Ich bitte Sie wirklich, meine Beobachtung zu beherzigen.“
„Aber, Señor, wenn es sich wirklich um eine
Weitere Kostenlose Bücher