34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
demütigen Arbeiter und den mutigen, besonnenen Pampas- und Urwaldläufer, welcher, wenn es nötig war, auch einen hohen Grad von Schlauheit entwickeln konnte.
Er wählte sich unter den vorhandenen Süßigkeiten das ihm Beliebende mit einer Miene aus, als ob er seit frühester Jugend in so angenehmen Lokalen verkehrt habe. Er genoß es mit der Eleganz einer Dame, der so etwas geläufig ist, und verriet durch keine Miene, daß ich derjenige sei, welcher schließlich bezahlen werde. Dabei sagte er in der ihm eigen scheinenden Weise, in wohlgesetzten Worten zu sprechen:
„Señor haben mir einen Wink gegeben, auf Sie zu warten. Ich habe gehorcht und bin nun bereit, Ihre Befehle zu vernehmen.“
„Ich beabsichtige nicht, Ihnen Befehle zu erteilen“, antwortete ich. „Es ist vielmehr eine Bitte, welche ich Ihnen vorlegen möchte. Ich war Zeuge des Schlusses Ihrer Unterredung mit Señor Tupido. Ich entnehme aus dem Gehörten, daß Sie sich in einer abhängigen Lage von diesem Herrn befinden?“
„Hm! Vielleicht!“ antwortete er mit der lächelnden Miene eines Mannes, welcher, ohne sich zu schaden, tausend Taler verschenken kann.
„Zugleich hörte ich, daß Sie durch den Besitz von zweihundert Papiertalern imstande sein würden, sich aus dieser Knechtschaft zu befreien. Würden Sie mir nun gestatten, Ihnen diese Summe zur Verfügung zu stellen?“
Er blickte mich groß an. Der Betrag war zwar nicht bedeutend, nur zweiunddreißig Mark nach deutschem Geld, aber für einen armen Teesammler doch wohl nicht gering. Die Lage des Mannes hatte meine Teilnahme erregt, und einem glücklichen Instinkt folgend wollte ich ihm das Geld schenken, obgleich ich selbst keineswegs ein wohlhabender Mann war.
„Ist das Ihr Ernst, Señor?“ fragte er. „Welchen Zweck verfolgen Sie dabei?“
„Keinen andern als nur den, Sie in den Besitz Ihrer geschäftlichen Selbständigkeit zu bringen.“
„Also Mitleid?“
„Nein, sondern Teilnahme. Das Wort Mitleid hat eine Nebenbedeutung, welche nicht geeignet sein würde für den kabelleresken Eindruck, welchen Sie auf mich machen.“
Sein Gesicht, welches sich verfinstert hatte, erhellte sich.
„Sie halten mich also trotz meiner Armut für einen Caballero?“ fragte er. „Aber wie stimmt ein Almosen mit dem Worte Caballero überein?“
„Von einem Almosen ist keine Rede.“
„Also ein Darlehen?“
„Wenn Sie es so nennen wollen, ja. Werden Sie dasselbe annehmen?“
„Vielleicht, vielleicht auch nicht. Welche Bedingung stellen Sie?“
„Sie verzinsen mir die Summe zu drei Prozent. Kündigung ist auf ein Jahr. Jeder von uns beiden hat bei unsrer nächsten Begegnung das Recht, zu kündigen, worauf Sie das Geld nach Ablauf eines Jahres an mich zu entrichten haben.“
„Und wenn wir uns nicht wieder treffen?“
„So behalten Sie es oder schenken es nach fünf Jahren einem Mann, welcher ärmer ist als Sie.“
Da streckte er mir die Hand entgegen, drückte die meine in herzlichster Weise und sagte:
„Señor, Sie sind ein braver Mann. Ich nehme Ihr Darlehen mit Vergnügen an und weiß, daß Sie keinen Peso verlieren werden. Darf ich fragen, wer und was der fremde Señor ist, welcher sich so freundlich meiner annimmt?“
Ich gab ihm meine Karte.
„Ein Alemano!“ sagte er im Ton der Freude, als er den Namen gelesen hatte. „Nehmen Sie auch die meinige, Señor!“
Er langte in seine zerfetzte Jacke, zog aus derselben ein sehr feines, kunstvoll gesticktes Visitenkartentäschchen hervor und gab mir aus demselben eine Karte. Auf derselben stand:
„Señor Mauricio Monteso,
Guía y Yerbatero.“
Also Fremdenführer und Teesammler war er. Das schien ein guter Fund für mich zu sein.
„In welchen Gegenden seid Ihr bewandert, Señor?“ fragte ich ihn. „Ich will nach Santiago und Tucuman und stand im Begriff, mich nach einem zuverlässigen Führer zu erkundigen.“
„Wirklich? Dann werde ich Ihnen einen meiner besten Freunde empfehlen. Er ist ein Mann, auf welchen Sie sich vollständig verlassen können, kein Arriero, dessen Sinn einzig nur dahin steht, den Fremden nach Kräften auszunützen.“
„Sie selbst haben wohl nicht Lust oder Zeit, den Auftrag anzunehmen?“
Er sah mich freundlich prüfend an und fragte dann:
„Hm! Sind Sie reich, Señor?“
„Nein.“
„Und dennoch borgen Sie mir Geld! Darf ich fragen, was Sie da drüben wollen? Sie gehen doch nicht etwa als Goldsucher oder aus andern spekulativen Gründen nach Argentinien?“
„Nein.“
„So,
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