Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
und dem Jaguar nicht allein für das Publikum, sondern vor allen Dingen auch für die einheimischen Toreadores von höchstem Interesse war.
    Toreadores oder Toreros werden die Stierfechter im allgemeinen genannt. Das Wort kommt von toro, der Stier, her. Sie gliedern sich in mehrere besondere Abteilungen, von denen jede ihre eigene, bestimmte Aufgabe zu lösen hat. Da sind zunächst die Picadores, welche, auf Pferden sitzend, den Stier mit ihren Lanzen zu reizen haben. Sodann die Chulos oder Banderillas, denen es obliegt, falls ein Picador in Gefahr kommen sollte, die Aufmerksamkeit des Stieres durch bunte Schärpen von demselben ab- und auf sich zu lenken und ihm dünne, mit Widerhaken versehene Stäbe in den Nacken zu stecken. Endlich die Espadas, die eigentlichen Kämpfer, welche den Stier mit dem Degen zu erlegen haben. Sie haben ihren Namen von dem Wort espada, Degen, erhalten. Zu erwähnen sind noch die Matadores, nach dem Wort matar, schlachten, so genannt. Diese Schlächter gehören nicht zu den eigentlichen Stierkämpfern; sie sind Zirkusknechte und haben dem Stier, falls derselbe von dem Espada nicht tödlich getroffen wird, aber doch niederstürzt, den Gnadenstoß zu geben.
    Wie bereits erwähnt, durchzogen Ausrufer die Straßen von Buenos Aires, um zu verkünden, daß der Stierkampf morgen stattfinden werde. Zuweilen blieben sie stehen, um den Passanten mit weithin schallender Stimme das Programm und alle näheren Umstände mitzuteilen. Es war gegen Abend. Wer es tun konnte, der schloß sein Geschäft, um eine Restauration, ein Café oder eine Confitería aufzusuchen und dort sich über das Ereignis des Tages auszusprechen. Confiterías sind öffentliche Lokale, in denen man nur Kuchen und Eis genießt.
    Das Café de Paris, welches als das feinste in Buenos Aires gilt, war so von Gästen gefüllt, daß fast kein leerer Stuhl zu sehen war. Es ging da sehr lebhaft her, besonders an einem Tisch, zu welchem die Blicke der Anwesenden immer und immer wiederkehrten, denn dort saßen die drei argentinischen Espadas, welche morgen ihre Geschicklichkeit zu zeigen hatten. Unter sich voll gegenseitiger, heimlicher Eifersucht, zeigten sie sich in ihren Worten darin einig, daß es ein geradezu unverzeihlicher Fehler des Komitees sei, den Spanier zugelassen zu haben. Sie nahmen sich vor, alles mögliche zu tun, ihm seinen bisherigen Ruhm zu entreißen. Einer von ihnen, welcher das große Wort führte, vermaß sich, den nordamerikanischen Bison gleich mit dem ersten Stoß zu erlegen, und wendete sich an die Anwesenden, indem er sich erbot, mit jedem zu wetten, daß er sein Wort halten werde.
    In seiner Nähe saßen an einem anderen Tisch vier feingekleidete Herren, von denen besonders einer in die Augen fiel. Er war von beinahe riesiger Gestalt und trug, obgleich er nicht viel über fünfzig Jahre alt sein konnte, einen langen, dichten Vollbart, welcher fast die Weiße des Schnees hatte. Sein Haupthaar besaß dieselbe Farbe. Infolge seines sonnverbrannten Gesichtes hätte man ihn für einen Gaucho oder überhaupt einen Mann halten sollen, der nur im Freien, auf der Pampa oder gar in der Wildnis lebe, aber sein eleganter, nach dem neuesten Pariser Schnitt gefertigter Anzug sprach vom Gegenteil. Seine drei Nachbarn waren ebenso sonnverbrannt wie er. Einer derselben wendete sich mit den Worten an ihn: „Hast du den Großsprecher gehört, Carlos?“
    Der Weißbärtige nickte mit dem Kopf.
    „Was sagst du dazu?“
    Der Gefragte zuckte mit der Achsel, indem ein leichtes, geringschätziges Lächeln über sein ernstes Gesicht glitt.
    „Ganz deiner Meinung!“ fuhr der andere fort. „Es gehört schon etwas dazu, einen hiesigen Toro, bevor er abgemattet ist, mit dem Degen zu erlegen. Du wirst besser wissen als wir, was ein nordamerikanischer Büffel zu bedeuten hat, denn du bist jahrelang dort oben gewesen und hast Bisons gejagt. Dieser Espada hier wird wohl schwerlich imstande sein, sein Versprechen zu halten.“
    „Das meine ich auch. Mit dem Mund tötet man keinen Büffel.“
    Er hatte diese Worte lauter gesprochen, als es von ihm wohl beabsichtigt worden war. Der Espada hörte sie, sprang von seinem Stuhl auf, trat herbei und sagte in fast befehlendem Ton: „Señor, wollen Sie mir wohl sagen, wie Sie heißen?“
    Der Weißbärtige maß ihn mit einem unendlich gleichgültigen Blick und antwortete dann: „Warum nicht, wenn ich vorher Ihren Namen kennengelernt habe.“
    „Mein Name ist weithin berühmt. Ich heiße Antonio

Weitere Kostenlose Bücher