37 - Satan und Ischariot I
Verhältnissen zu fragen, so erkundigte ich mich zunächst:
„Ich kenne weder den ‚Großen‘ noch den ‚Kleinen Mund‘ und habe nie von ihnen gehört. Welchen Grund hatten diese roten Männer, euch töten zu wollen?“
„Sie kamen vor vielen Monden, unseren Stamm zu überfallen und zu berauben, obgleich wir mit dem ihrigen in Frieden lebten. Wir erfuhren es zu rechter Zeit und besiegten die Yuma. Dabei wurde der Häuptling gefangengenommen. Nalgu Mokaschi, dessen Söhne wir sind, schlug ihm den Kampf der Ehre vor und besiegte ihn in demselben. Anstatt ihn darauf zu töten, ließ er ihn laufen. Das ist eine große Schande, weil es ein Beweis der Geringschätzung ist, was du wohl nicht wissen wirst, weil du ein Bleichgesicht bist.“
„Ich weiß es, denn ich kenne die Sitten und Gewohnheiten der roten Männer sehr genau. Ich habe viele Sommer und Winter mit den tapfersten Stämmen verkehrt und auch mit dem ‚Starken Büffel‘, eurem Vater, die Friedenspfeife geraucht.“
„So kannst du kein gewöhnliches Bleichgesicht sein und mußt einen großen Namen haben, denn unser Vater ist ein tapferer Krieger und pflegt nur mit berühmten Männern das Kalumet zu trinken.“
„Ihr werdet meinen Namen erfahren. Jetzt erzähle mir zunächst weiter, wie ihr hier mit den beiden Yumas und dem weißen Mann zusammengetroffen seid!“
„Diese Squaw ist unsere ältere Schwester. Als sie noch Mädchen war, kam ein Häuptling der Opata, um sie zur Frau zu begehren. Der Vater erlaubte es ihr, ihm zu folgen. Wir beide sehnten uns nach ihr und machten uns auf, sie zu besuchen. Wir waren zwei Monde bei den Opata, und als wir wieder gingen, begleitete sie uns, um den Vater zu sehen.“
„Das war unvorsichtig!“
„Verzeihe! Wir leben mit allen Stämmen in Frieden; eine Schar von Opatas begleitete uns eine große Strecke, und als sie uns verließen, waren wir und sie überzeugt, daß nun an eine Gefahr nicht mehr gedacht werden könne. Die Yuma wohnen weit von hier, und wir konnten nicht ahnen, daß ihr Häuptling sich hier in der Gegend befinde. An Squaws und Knaben zieht jeder ehrliche Krieger vorüber. Der ‚Große Mund‘ aber erkannte uns und schoß auf uns. Wir sind noch keine Krieger und haben noch keine Namen. Wir hatten nur Pfeile bei uns und konnten uns nicht wehren. Darum sprangen wir schnell von den Pferden und flüchteten uns auf den Felsen. Wir konnten uns hinter demselben verstecken, und wenn die Feinde es gewagt hätten, uns nachzuklettern, hätten wir sie mit unseren Pfeilen getötet. Dennoch wären wir verloren gewesen, wenn du uns nicht gerettet hättest; denn als der ‚Große Mund‘ sah, daß wir vor ihren Kugeln sicher waren, sandte er den ‚Kleinen Mund‘, seinen Sohn, auf einem Umweg noch höher als wir zu steigen und uns von oben herab zu erschießen!“
„Und der Weiße schoß auch?“
„Ja, obwohl wir ihn nicht kannten und ihm nie etwas zuleid getan hatten. Er gab sogar dem ‚Kleinen Mund‘ sein Gewehr mit, weil dasselbe zwei Läufe hatte und wir mit demselben leichter und schneller getötet werden konnten. Er wird dafür sterben müssen, sobald er mir begegnet; ich habe mir sein Gesicht genau betrachtet.“
Er zog bei diesen Worten sein Messer und machte mit demselben eine Bewegung, als ob er jemandem das Herz durchbohre. Ich sah, daß es dem Knaben Ernst mit dieser Drohung war. Dabei dachte ich an die beiden Worte, welche der ‚Große Mund‘ ausgerufen hatte, als meine Kugel seine Hand traf. Darum fragt ich:
„Ist dir vielleicht die Sprache der Yuma bekannt?“
„Wir kennen sehr viele Worte aus derselben.“
„So kannst du mir sagen, was die Worte Tave-schala bedeuten?“
„Das weiß ich sehr wohl. Sie bedeuten die ‚Zerschmetternde Hand‘. Das ist der Name eines großen weißen Jägers, welcher Freund des berühmten Apachenhäuptlings Winnetou ist. Er wird von den Bleichgesichtern Old Shatterhand genannt, und unser Vater hat einmal an seiner Seite gegen die Comanchen gekämpft und mit ihm das Kalumet des Friedens und der ewigen Freundschaft getrunken. Wo hast du diese beiden Worte gehört?“
„Der ‚Große Mund‘ rief sie aus, als ich ihm vorhin mit meiner Kugel die Hand zerschmetterte.“
„Da hast du so getan, wie Old Shatterhand zu handeln pflegt. Er tötet keinen Feind, den er durch eine Verwundung unschädlich machen kann. Seine Kugeln gehen niemals fehl. Er sendet sie entweder aus einem Schosch-sesteh (Bärentöter), den nur ein sehr starker Mann zu
Weitere Kostenlose Bücher