37 - Satan und Ischariot I
unberittenen Hirten bewacht wurden, doch sah man gleich mit dem ersten Blick, daß dieser Leute nicht genug vorhanden waren. Sie kamen herbei, uns freundlich zu begrüßen, und ich erfuhr von ihnen, daß Melton mit seiner Arbeiterkarawane noch nicht angekommen sei. Meine frühere Ankunft war übrigens gar kein Wunder, da der Marsch des Mormonen wegen der schweren Wagen nur ein langsamer sein konnte.
Weiter oben hörten die Weiden auf, um Feldern Platz zu machen. Ich sah Baumwolle und Zuckerrohr in langen, breiten Pflegen stehen. Dazwischen gab es Indigo, Kaffee, Mais und Weizen, doch das alles in einem Zustand, welcher erkennen ließ, daß es an Arbeitshänden mangelte. Dann kam ein großer Garten, in welchem alle Obstbäume Europas und Amerikas vertreten waren, aber ein sehr verwildertes Aussehen hatten, so daß es einem fast weh tun mochte. Und als wir an diesem Garten vorüber waren, sahen wir endlich die Gebäude der Hazienda vor uns liegen.
Die größeren Hazienden und Estanzien sind in jenen Gegenden wegen der Unsicherheit der dortigen Verhältnisse meist festungs- oder fortähnlich angelegt. Wo es genug Steine gibt, umschirmt man die Wohnungen mit einer Mauer, welche etwaige Angreifer nicht zu übersteigen vermögen. Ist dieses Material nicht vorhanden, so legt man dicke und dichte Zäune von Kakteen und anderen Stachelpflanzen an, welche man so hoch wie möglich wachsen läßt und gewöhnlich auch für ihren Zweck erfüllend hält. Ein intelligenter Angreifer aber wird einen solchen Zaun keineswegs für ein unbesiegbares Hindernis ansehen.
Die Hazienda del Arroyo lag im Gebirge; es waren also so viele Steine vorhanden, daß ich mich eigentlich eines falschen Ausdruckes bedient habe, als ich sagte, wir hätten die Gebäude der Hazienda vor uns liegen sehen. In Wirklichkeit sahen wir nur das platte Dach des Hauptgebäudes, während alles andere hinter einer Mauer verborgen lag, welche eine Höhe von wenigstens 5 Meter hatte. Sie schloß ein großes, regelrechtes Viereck ein, dessen Seiten genau nach den vier Himmelsrichtungen lagen. Dieses Viereck wurde von dem Bach in der Weise durchflossen, daß er unter der nördlichen Mauer hereintrat und die Hazienda unter der südlichen wieder verließ. Wie ich später sah, stand das aus dem Parterre und einem Stockwerk bestehende Hauptgebäude ziemlich in der Mitte hart an dem Bach, über welchen nach Westen hin, wo sich das große Tor in der Mauer befand, eine Brücke führte. Außerdem gab es innerhalb der Mauer kleinere Häuschen, in denen die jetzigen Bediensteten wohnten und die zu erwartenden Arbeiter untergebracht werden sollten, ein niedriges, langgestrecktes Magazin zur Aufnahme der Feld- und Gartenfrüchte und mehrere offene Schuppen, welche nur aus hölzernen Säulen und den auf denselben ruhenden Dächern bestanden, unter denen die gefährdeten Tiere bei einem etwaigen Überfall innerhalb der Mauern untergebracht werden sollten. Das große Tor bestand aus sehr starkem Holz und war innen und außen mit Eisenblech beschlagen.
Da wir von Süden kamen, mußten wir um die südwestliche Ecke des Mauerquadrats biegen und der westlichen Seite entlangreiten, bis wir an das Tor gelangten. Die beiden Flügel desselben standen offen, so daß uns nichts hinderte, in den Hof zu gelangen. Derselbe machte trotz der Gebäude, welche dastanden, den Eindruck der Einsamkeit, der Leere. Es gab eben auf der Hazienda nicht so viel Personen, wie eigentlich notwendig waren. Unsere Augen trafen keinen Menschen.
Wir stiegen ab. Ich gab mein Pferd dem einen Indianerknaben zum Halten und wendete mich nach der Brücke, um in das Herrenhaus zu gehen. Eben als ich die Brücke überschritt, wurde die Haustür geöffnet und in derselben erschien ein Mann, dessen aufgedunsenes, blatternarbiges Gesicht keinen angenehmen Eindruck auf mich machte. Ich besitze gar kein Vorurteil gegen Blatternarben; sie gereichen dem Gesicht nicht zur Zierde, das ist wahr, aber der beste Mensch kann an den Blattern erkrankt gewesen sein. Hier jedoch bildeten die Narben den letzten Ton im vielstimmigen Mißakkord. Das Gesicht wäre auch ohne sie abstoßend gewesen. Der Mann sah mich von oben her an und rief mir zu:
„Bleib stehen! Über die Brücke dürfen nur Caballeros. Was willst du hier?“
Ich ging trotz dieser Worte weiter. Als ich die Brücke hinter mir hatte und nun vor ihm stand, antwortete ich:
„Ist Señor Timoteo Pruchillo daheim?“
„Señor! Er wird Don genannt. Das magst du dir merken.
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