37 - Satan und Ischariot I
einem Bach liege, von welchem ein kleiner See gespeist werde. Man hatte mir die Gegend und den Weg nach derselben so genau beschrieben, daß ich gar nicht irren konnte. Zugleich hatte ich über die Verhältnisse und den Charakter des Besitzers Näheres erfahren.
Señor Timoteo Pruchillo war ein ehrlicher Mann, hatte früher zu den reichsten Leuten der Provinz gehört, aber durch die oft wiederkehrenden politischen Aufstände und die Überfälle der Indianer viel gelitten, so daß er nun nur noch als ziemlich wohlhabend galt. Von mehreren großen Landgütern war ihm nur noch das einzige, die Hazienda del Arroyo, geblieben. Außerdem gehörte ihm ein Quecksilberbergwerk zu eigen, über dessen Lage ich nichts Genaues erfahren hatte, man wußte nur, daß es noch weit, weit hinter der Hazienda in einer höchst unfruchtbaren Gegend liege und früher reiche Erträge gebracht habe, dann aber wegen Mangels an Arbeitern und des Herumschweifens wilder Indianer aufgegeben und verlassen worden sei.
Über den Weg, den ich heute zurücklegte, ist nichts zu sagen. Ich war allein und kam durch eine völlig uninteressante Gegend. Ich übernachtete in einem Tal, welches von kahlen Höhen eingeschlossen war, auf seinem Grund aber doch so viel Gras trug, daß mein Pferd sich satt fressen konnte. Während mir von Ures bis hierher kein Mensch in den Weg gekommen war, hatte ich am nächsten Vormittag eine Begegnung, und zwar eine unter den gegebenen Verhältnissen sehr wichtige, eine Begegnung, bei welcher leider Blut fließen sollte.
Ich ritt durch ein langes, schmales Tal, welches sich in vielen Windungen aufwärts in die Berge zog. Diese lagerten kahl und baumlos vor dem höheren Gebirge, in welchem ich die Hazienda zu suchen hatte. Sie waren felsig und besaßen so eigenartige, abenteuerliche Formen, daß ich hier und da an die fernen Bad-lands erinnert wurde. Nur selten war ein Baumkrüppel oder Strauch zu sehen, der aus einer Spalte ragte, in welcher es die Feuchtigkeit zu einem spärlichen Gedeihen für ihn gab. Ich dachte an meine Erlebnisse in jenen Bad-lands, an die Kämpfe mit den Sioux, mit denen ich dort oft zusammengeraten war; ich bildete mir ein, ihr schrilles Kriegsgeheul und die Stimmen ihrer Gewehre zu hören. Da – – – war das nur die Erinnerung, die es mir vorspiegelte, oder war es die Wirklichkeit: ein Schuß war gefallen. Ich hielt mein Pferd an und horchte. Es war die Wirklichkeit, denn jetzt fiel ein zweiter und ein dritter Schuß, vor mir im Tal, hinter der nächsten Krümmung, welche dasselbe machte.
Ich trieb mein Tier an, war aber, als ich die Krümmung erreichte, nicht so unvorsichtig, um dieselbe zu biegen. Ich wollte vorher wissen, mit wem ich es zu tun hatte. Darum stieg ich ab, ließ das Pferd stehen und ging zu Fuß nach der Ecke des Felsens, um nach der anderen Seite derselben zu blicken. Als ich den Hut, dessen breite Krempe mich leicht verraten konnte, abgenommen hatte und dann den obern Teil des Kopfes bis zu den Augen vorstreckte, sah ich, daß sich jenseits des Felsens das Tal erweiterte, indem es eine Seitenschlucht aufnahm, welche rechtwinklig in dasselbe mündete. Unten, in der Sohlenmitte des Haupttales, standen zwei Männer, die empor nach dem Felsen blickten, welcher die Ecke des Haupt- und Nebentales bildete. Es war ein Weißer und ein Indianer. Beide hatten ihre Gewehre in den Händen. Sie legten dieselben jetzt eben an, zielten nach oben und drückten ab; die Schüsse knallten schnell hintereinander.
Auf was oder wohl gar auf wen schossen die beiden Menschen? Es standen drei Pferde in ihrer Nähe. Sie waren also zu dritt. Wo befand sich der dritte? Ich schob den Kopf weiter vor und sah nun unten, hart an der Felsenecke, drei fernere Pferde liegen, welche tot zu sein schienen, denn sie bewegten sich nicht. Über denselben, vielleicht dreißig Ellen hoch, an einer Stelle, welche nur ein guter Kletterer zu erreichen vermochte, kauerten drei Personen hinter einem Felsenvorsprung, der ihnen Schutz gegen die nach ihnen gesandten Kugeln bot. Diese drei waren ein Weib und zwei Knaben. Vielleicht wäre der Ausdruck Jünglinge richtiger; ich konnte ihre Gesichtszüge nicht genau erkennen. Sie waren nicht mit Gewehren, sondern nur mit Bogen bewaffnet und sandten gegen ihre Angreifer zuweilen einen Pfeil herab, welcher aber immer zu kurz fiel.
Männer gegen Knaben, gegen ein unbewaffnetes Weib! Pfui! Was für Männer konnten das sein! Doch nur ehrlose Menschen! Ich war augenblicklich
Weitere Kostenlose Bücher