39 - Satan und Ischariot III
Stutzen so viele Male rasch hintereinander ab, daß sie erschrecken und vor Überraschung von dir lassen.“
„Gut! Wenn ich ergriffen werden sollte und du ziehst ihre Aufmerksamkeit nur so lange auf dich, daß sie einige Augenblicke nicht auf mich achten, wird das genügen, mich wieder frei zu machen.“
Ich gab also dem Nijora die schwere Büchse; Winnetou nahm meinen Stutzen, und dann entfernten wir uns nach Süden, wo die ‚Quelle des Schattens‘ lag.
Es war jetzt infolge der Wolke so düster, daß man nicht ein Zehntel so weit und so scharf sehen konnte wie vorhin, als die Sterne schienen. Nach etwas über zehn Minuten hielt Winnetou an und erklärte mir mit leiser Stimme:
„Wenn du noch hundert Schritte weitergehst, wirst du dich bei den ersten Büschen befinden, welche du genau kennst, da wir dort gewesen sind. Geradeaus von dort kommt das Wasser, an dem der Häuptling sitzt, aus der Erde. Es fließt nach links; dort sitzen die anderen Krieger. Zwischen ihnen und dem Häuptling steht der Wagen.“
„Und wo sind die Pferde?“
„Die weiden jenseits des Gebüsches im freien Gras.“
„So will ich versuchen, mich an den Häuptling zu machen.“
„Da muß mein Bruder aber außerordentlich vorsichtig sein.“
„Warum gibt mir Winnetou diesen Rat? Ist er bei mir nötig? Der Häuptling sitzt nahe am Quell; dort steht viel Gesträuch, hinter dem ich mich verstecken kann, wenn nicht rechts davon auch noch Krieger liegen.“
„Vorhin gab es dort keine.“
„So glaube ich auch nicht, daß sich später welche dort gelagert haben, denn dort gibt es kein Wasser.“
„Willst du etwa auch mit den Gefangenen sprechen?“
„Ja, wenn es möglich ist.“
„Da muß ich dich aber doch warnen, obgleich du vorhin meine Worte übelgenommen hast. Es ist sehr gefährlich, zu ihnen zu gelangen, und noch gefährlicher ist es, gar mit ihnen zu sprechen.“
„Ich werde keine Vorsicht außer acht lassen und meinen Vorsatz nur dann ausführen, wenn ich mich vorher überzeugt habe, daß ich es wagen darf. Also, wenn mir etwas passieren sollte, wirst du schießen, aber nicht eher, als bis du zwei oder drei Schüsse aus meinem Revolver gehört hast.“
„Ich werde das tun, doch ist es besser, wenn ich es nicht zu tun brauche.“
Jetzt verließ ich den Apachen und schritt langsam und leise weiter. Mein Fuß stieß an einen Stein. Da kam mir ein Gedanke. Der Stein konnte mir von Vorteil sein. Er hatte die Größe einer halben Hand; ich hob ihn auf und steckte ihn ein. Darauf bückte ich mich nieder und tastete rings umher; es gab da noch fünf oder sechs Steine von ähnlicher Größe, welche ich auch zu mir steckte. Dann ging ich weiter.
Als ich vielleicht sechzig Schritte vorwärts gekommen war, legte ich mich nieder, um mich nun kriechend zu bewegen. Bald kam ich an die ersten Büsche. Es war ganz dunkel. Die Mogollons brannten keine Feuer. Danach hatte ich Winnetou gar nicht gefragt, eine Unterlassungssünde, welche eigentlich unbegreiflich war. Daß die Feinde im Dunkeln saßen, war mir unlieb und doch auch wieder lieb: ich konnte sie nicht sehen, aber desto schwerer konnten sie auch mich bemerken. Daß sie es unterlassen hatten, Feuer anzuzünden, schien ihrerseits doch die Folge von Vorsicht zu sein, denn sie verhielten sich so ruhig, daß ich kein Geräusch vernahm, obgleich ich mich bereits sehr nahe bei ihnen befand.
Immer nur Zoll um Zoll geradeaus kriechend, schob ich mich von einem Busch zum anderen und hörte endlich Stimmen. Zugleich drang mir der Geruch von Tabak in die Nase, von Tabak, wie ihn die Indianer zu rauchen pflegen, nämlich eine Mischung von sehr viel wildem Hanf und sehr wenig Tabak. Und nun sah ich doch ein Feuer, aber ein so kleines, daß es von weitem schwer zu bemerken war. Es brannte in einer kleinen Vertiefung des Bodens, damit der Schein nicht weit dringen solle und wurde nur von einigen dünnen Zweigen genährt. Es hatte also nur den Zweck, mit Hilfe desselben die Pfeifen in Gang zu erhalten.
So klein es war, es verbreitete doch in seiner nächsten Nähe soviel Licht, daß ich den Häuptling und die drei alten Krieger, welche an der Quelle saßen, erkennen konnte. Es gab dort zwei nahe beisammenstehende Büsche; ich schob mich hin zu ihnen und schmiegte mich so eng an ihre Wurzelstöcke, daß selbst jemand, der vorüberging, mich nur dann sehen konnte, wenn er sich zufällig niederbückte. Jetzt befand ich mich so nahe bei den vier Roten, daß ich jedes ihrer Worte verstehen
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