40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte
Bilder und kurz danach läuft der Beitrag im NDR-Fernsehen.
Nach solchen Tagen, vor allem unter Zeitdruck, glüht mein Gesicht, als hätte ich den ganzen Tag in der prallen Sonne gelegen, und mein Herz pocht dumpf wie eine ausgeleierte Orchestertrommel. Ich bin todmüde und aufgedreht zugleich, fühle mich wie ein Soldat, der heil und ganz von einem Erkundungsritt zurückkehrt. Heldenhaft. Und im Hinterkopf die Frage: Für wen mache ich das hier eigentlich?
Während meiner ausgedehnten Glauberphase heute brauche ich absolute Ruhe. Zum Glück sind meine Mitbewohner für ein paar Tage verreist und haben mich allein gelassen auf unserem Bauernhof. Nichts wäre mir jetzt peinlicher, als bei der Entleerung meines Körpers Ohrenzeugen zu haben.
Wir leben zu dritt auf einem Resthof, etwa 15 Kilometer außerhalb Kiels, ein alter Schulfreund und seine Frau unten, ich im oberen Stockwerk. Die Küche ist unser Gemeinschaftsraum.
Dort sitze ich jetzt gerade. 30 Quadratmeter, Holzdecke, ein alter Ofen als einzige Heizmöglichkeit. Es ist immer kalt in der Küche, vielleicht sitzen wir deshalb so selten zusammen.
Mit dem Backsteinbau aus den Dreißigerjahren haben wir uns vor zwei Jahren einen Traum erfüllt. Der Hof ist einsam gelegen und ziemlich idyllisch. Wir leben auf 250 Quadratmetern Wohnfläche, 3000 Quadratmetern Grundstück und zahlen tausend Euro warm.
Der Hof befindet sich allerdings in einem schlechten Zustand. Im Winter schlafen wir mit Pudelmütze. Im Sommer riechen unsere Klamotten muffig nach Stall, und je nach Jahreszeit wachsen uns Schwielen an den Händen von der vielen Gartenarbeit.
Gemeinsam kümmern wir uns um unseren Hahn Otto und seine vier schnellen Brüter. Auf der Weide hinter dem Haupthaus grasen die Schafe unserer Vermieterin. Am meisten Arbeit macht der Gemüsegarten. Aber was wäre ein Hof ohne eigene landwirtschaftliche Produkte? Wir haben uns zwar unseren Traum vom Wohnen und Leben verwirklicht, müssen jedoch dafür ziemlich viel arbeiten.
Leider entwickelte sich unsere lange Freundschaft im Laufe der Zeit zur Zweckgemeinschaft. Zusammenleben ist eine Kunst, die noch erschwert wird, wenn sich eine Baustelle nach der nächsten auftut. Wir müssen Pläne entwerfen, Finanzierungen besprechen, Kompromisse eingehen, die geizige Vermieterin ertragen. Da bleibt fast keine Zeit mehr, einfach nur unseren Hof zu genießen.
Meine Mitbewohner zeigten sich sehr besorgt, als ich ihnen gestern von meinem Plan erzählte – 40 Tage Fasten! Und schließlich stellten sie natürlich auch die Frage aller Fragen: Warum machst du das? Ich traute mich nicht, ihnen darauf zu antworten. Dabei hätte ich sogar gleich mehrere Gründe nennen können:
1. Ich will mich in Disziplin üben. Wenn ich 40 Tage ohne Essen auskommen kann, dann werde ich in Zukunft auch auf vieles andere verzichten können. Die Gier nach Essen und Konsum im Allgemeinen darf gerne schrumpfen.
2. Ich will ein paar Pfunde verlieren und alten Müll loswerden. Schadet ganz bestimmt nicht.
3. Es ist auch ein Selbstbeweis. Ich kann etwas schaffen, was andere für vollkommen ausgeschlossen halten. Und:
4. Ich will Erleuchtung. Und zwar sofort. Offenbarung im Eiltempo. Erleuchtung im Sauseschritt. Was Buddha kann, packe ich auch!
Ob meine Mitbewohner das verstanden hätten? Ich glaube nicht. Sie meinten, 40 Tage Fasten wären Wahnsinn, schüttelten den Kopf und versuchten, mich zur Vernunft zu bringen. Mich stachelt so etwas eher dazu an, meinen eigenen Kopf durchzusetzen.
Unsere Toilette ist riesig, knapp 20 Quadratmeter, rot gestrichen, mit Lüster an der 3,50 Meter hohen Decke, Badewanne, extra Dusche und uralten Steinfliesen. Man fühlt sich wie in einem Schloss des Fin de Siècle. In diesem Ambiente muss einem einfach Erhabenes einfallen.
Während ich hier Glauberzeit absitze, wird mir klar, dass noch etwas eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt: Tatsächlich hatte ich schon immer einen Hang zum Extremen. Als Jugendlicher gehörte ich zur Kategorie der Unruhestifter. Mein Vater hat immer gesagt: »Wenn in Lippe eine Katze geschlachtet wird, musst du den Schwanz halten.« Als Student der Literaturwissenschaft hielt ich mich weniger in Bibliotheken und Hörsälen auf als in Kneipen und auf Partys. Ich habe zu wenig gelernt und zu viel gefeiert, bis schließlich mein Körper rebellierte. Ich war immer der letzte Gast, habe nicht einen Drink oder Joint in meinem Leben ausgelassen, und ich aß nicht, sondern fraß. Ich war rastlos, immer
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