Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
1.
    Der Hund schnüffelte an meinem Koffer. Für einen Drogenspürhund war er ein erstaunlich flauschiges Exemplar, vielleicht ein Hovawart, und ich wollte ihm gerade die Ohren kraulen, als er die Lefzen anhob und ein bedrohliches »Wuff« von sich gab. Dann setzte er sich hin und drückte energisch die Nase an die Kofferwand. Der Zollbeamte schien darüber genauso erstaunt zu sein wie ich, er schaute zweimal vom Hund zu mir und wieder zurück, ehe er nach dem Koffer griff und sagte: »Na, dann wollen wir doch mal schauen, was unsere Amber da aufgespürt hat.«
    Na, großartig. Kaum eine halbe Stunde auf britischem Boden, und schon wurde ich verdächtigt, Drogen zu schmuggeln. Die echten Schmuggler in der Reihe hinter mir freuten sich bestimmt gerade diebisch, dank mir konnten sie nun unbehelligt mit ihren Schweizer Uhren oder Designerdrogen durch die Absperrung spazieren. Welcher Zollbeamte mit Verstand winkte denn ein fünfzehnjähriges Mädchen mit blondem Pferdeschwanz aus der Reihe anstatt beispielsweise dieses nervös wirkenden Typs mit dem verschlagenen Gesicht da hinten? Oder dieses verdächtig blassen Jungen mit strubbeligen Haaren, der im Flugzeug schon eingeschlafen gewesen war, bevor wir die Startbahn erreicht hatten. Kein Wunder, dass der jetzt so schadenfroh grinste. Seine Taschen waren wahrscheinlich gestrichen voll mit illegalen Schlaftabletten.
    Aber ich beschloss, mir nicht die gute Laune verderben zu lassen, schließlich wartete hinter der Absperrung ein wunderbares neues Leben auf uns, mit genau dem Zuhause, das wir uns immer erträumt hatten.
    Ich warf meiner kleinen Schwester Mia, die schon neben der Absperrung stand und ungeduldig auf- und abwippte, einen beruhigenden Blick zu. Alles war gut. Kein Grund zur Aufregung. Das hier war nur die letzte Hürde, die zwischen uns und besagtem wunderbaren neuen Leben stand. Der Flug war tadellos verlaufen, keine Turbulenzen, also hatte Mia sich nicht übergeben müssen, und ich hatte ausnahmsweise mal nicht neben einem fetten Mann gesessen, der mir meine Armlehne streitig machte und nach Bier stank. Und obwohl Papa wie üblich bei einer dieser Billigflug-Airlines gebucht hatte, die angeblich immer zu wenig tankten, war das Flugzeug nicht in Schwierigkeiten geraten, als wir über Heathrow mehrere Warteschleifen hatten drehen müssen. Und dann war da noch dieser hübsche, dunkelhaarige Junge gewesen, der auf der anderen Seite in der Reihe vor mir gesessen und sich auffällig oft nach mir umgedreht und mich angelächelt hatte. Ich war kurz davor gewesen, ihn anzusprechen, aber dann hatte ich es gelassen, weil er in einem Fußball-Fanmagazin blätterte und beim Lesen die Lippen bewegte wie ein Erstklässler. Derselbe Junge starrte jetzt übrigens ziemlich neugierig auf meinen Koffer. Überhaupt starrten alle neugierig auf meinen Koffer.
    Ich sah mit großen Augen zu dem Zollbeamten auf und setzte mein allernettestes Lächeln auf. »Bitte … wir haben keine Zeit, der Flieger hatte schon Verspätung, und wir haben noch eine Ewigkeit am Gepäckband gewartet. Und draußen steht unsere Mum, um meine kleine Schwester und mich abzuholen. Ich schwöre feierlich, in meinem Koffer befindet sich nur jede Menge dreckige Wäsche und …« Weil mir in exakt diesem Augenblick einfiel, was sich sonst noch in diesem Koffer befand, verstummte ich kurzzeitig. »… auf jeden Fall keine Drogen«, ergänzte ich dann etwas kleinlaut und sah den Hund vorwurfsvoll an. So ein dummes Tier!
    Ungerührt hievte der Zollbeamte den Koffer auf einen Tisch. Ein Kollege öffnete den Reißverschluss und klappte den Deckel auf. Sofort war allen Umstehenden klar, was der Hund gerochen hatte. Denn ganz ehrlich – dafür brauchte man nun wirklich keine empfindliche Hundenase.
    »Was zur Hölle …?«, fragte der Zollbeamte, und sein Kollege hielt sich die Nase zu, während er mit spitzen Fingern anfing, einzelne Wäschestücke zur Seite zu räumen. Für die Zuschauer musste es so aussehen, als würden meine Klamotten bestialisch stinken.
    »Entlebucher Biosphärenkäse«, erklärte ich, während mein Gesicht vermutlich eine ähnliche Farbe annahm wie der weinrote BH, den der Mann gerade in den Händen hielt. »Zweieinhalb Kilo Schweizer Rohmilchkäse.« Ganz so schlimm stinkend hatte ich ihn allerdings nicht in Erinnerung. »Schmeckt besser als er riecht, ehrlich.«
    Amber, der dumme Hund, schüttelte sich. Ich hörte die Leute kichern, die echten Schmuggler rieben sich garantiert gerade die

Weitere Kostenlose Bücher