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40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

Titel: 40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timm Kruse
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morgen.

Zweiter Tag, 2. September
»Wenn all mein Fleisch hinwegschwindet, immer heller die Seele wird, immer fester des Geistes Wachsein und Weisheit und Versenkung steht.«
Das Fasten war für Buddha Läuterung, die Vorstufe der Meditation, die aus dem Asketen schließlich einen »Erleuchteten«, eben einen »Buddha«, machte.
HEINZ-WILHELM BERTRAM, Das religiöse Fasten
    Zweiter Tag, 2. September
    90,7 KILOGRAMM
    Es ist sechs Uhr. Seit drei Stunden liege ich wach. Ich habe überhaupt keine Lust aufzustehen. Der Rest Glaubersalz lässt mir aber keine andere Wahl. Wieder Durchfall, wieder Mattigkeit. Flaues Allgemeinbefinden.
    Normalerweise meditiere ich jeden Morgen und Abend zwischen 20 und 60 Minuten lang. Es tut mir gut, bewusst in den Ruhezustand zu treten. Wenn ich nicht meditiere, habe ich schlechtere Laune. Aber jetzt geht gar nichts. Dabei hatte mein Ego längst begriffen, dass Meditieren uns sehr guttut. (Jetzt spreche ich schon im Plural von mir/uns … Ich befürchte, dass sich auch die letzten Freunde von mir abwenden werden, sobald sie dies hier lesen.)
    Ich könnte den ganzen Tag im Bett liegen und faulenzen, mich im Fasten suhlen, der Welt entrückt. Aber leider ruft der Job. Ich soll heute für die Sendung einen Einbürgerungstest mit Deutschen machen! Meine Antriebslosigkeit ist nicht zu überbieten.
    Zwölf Stunden später liege ich wieder im Bett. Vier Quadratmeter Wohligkeit.
    Nur wenige Deutsche können tatsächlich alle Fragen zum Einbürgerungstest beantworten. Aber man muss ja nur die Hälfte richtig haben, um als ganzer Deutscher durchzugehen.
    Fasten und arbeiten kann nicht gesund sein. Produktiv bin ich auf jeden Fall nicht. Besonders jetzt, am Anfang, nicht. Das Fasten ist stets und ständig gegenwärtig, lauert im Hinterkopf. Jeder Gedanke wird begleitet vom Gefühl des Entbehrens. Aber jetzt im Bett habe ich das Gefühl, dass es nachlässt.
    Die Nahrungsaufnahme ist erschreckend automatisiert. Ein Apfel am Baum und sofort verselbstständigen sich die Gedanken. So schnell, dass die Hand schon zuckt, um den Apfel zu pflücken.
    Wenn ich wenigstens mal einen Tee finden würde, der so gut schmeckt, wie er riecht. So wie Kaffee! Aber Tee riecht immer nur super und schmeckt dann labberig.
    Morgen kaufe ich mir Sauerkrautsaft. Der wirkt stark abführend und schmeckt längst nicht so grauenhaft wie Glauber- oder Bittersalz. Jedenfalls verspricht das ein Experte in einem meiner Bücher.
    Diese Experten verheißen dem Fastenden sowieso sehr viel. Wenn man ihre Bücher liest, könnte man glauben, Fasten sei eine Wonne. Ist es aber nicht. Diese Heuchler wollen einen nur motivieren, um ja nicht schlappzumachen.
    Ich könnte ja ersatzweise in einen Einkaufsrausch verfallen. Weil ich aufs Essen verzichte, glaubt mein Ego, sich anderweitig Befriedigung verschaffen zu müssen. Ein bisschen bin ich diesem Bedürfnis auch erlegen und habe mir vorhin noch mal fünf Bücher im Internet bestellt. Alle übers Fasten – ich werde absoluter Fastenexperte!
    Für die kommenden vier Tage habe ich schon Arbeitsaufträge. Dabei wollte ich viel kürzertreten, während ich faste. Die Möglichkeit des Geldverdienens schwächt meine Fähigkeit, »Nein« zu sagen. Von dem Geld kann ich mir lauter schöne Essensersatzbefriedigungen kaufen.
    Mitten in der Nacht wache ich mit einem starken Hämmern in der Brust auf. Mein Herz rumpelt wie ein Wäschetrockner voller Turnschuhe. Irgendein Traum, Liebeskummer.
    Bedeutet, keine Nahrung zu bekommen, für das Unterbewusstsein Liebesentzug? Und wird damit Nahrung zum Liebesersatz? So nach dem Motto »Wer sich nicht geliebt fühlt, wird dick«? Kommt da der »Kummerspeck« her? »Ich bin froh, dass ich so’n dürrer Hering bin. Denn dünn bedeutet, frei zu sein …« Westernhagen. Versteh ich jetzt erst so richtig.
    Heute gab es immer wieder Augenblicke, in denen ich mit dem Fasten aufhören wollte. Wozu die Quälerei? 40 Tage! Wozu Erleuchtung? Das wollen andere doch auch nicht! Erlösung … wovon eigentlich?
    Hätte man mir vor ein paar Jahren glaubhaft vorausgesagt, dass ich mal 40 Tage fasten würde, um Erleuchtung zu finden, ich hätte mich auf der Stelle umgebracht.

Dritter Tag, 3. September
Wer stark, gesund und jung bleiben will, sei mäßig, übe den Körper, atme reine Luft und heile sein Weh eher durch Fasten als durch Medikamente.
HIPPOKRATES
    Dritter Tag, 3. September
    89,7 KILOGRAMM
    Es ist fünf Uhr früh. Schon wieder liege ich seit Stunden wach.
    Das

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