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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verlangst!“ erklärte ich.
    Das half mir aber nichts. Er stellte absolut keinen Preis. Und als ich ihm drohte, gar nichts zu zahlen, wenn er nichts verlange, antwortete er einfach: „So schenke ich es dir!“ Dies war der Kniff, der ihm stets gelang. Er nahm an, daß kein Europäer sich von ihm etwas ‚schenken‘ lassen werde. Da tat ich, als sei ich überwunden und gab ihm einen Franken. Der Frank ist nämlich in Palästina die beliebteste Silbermünze. Er sah ihn an, hielt ihn mir wieder hin und sagte: „Den schenk' ich dir!“ Ich nahm das Geld zurück, gab ihm dafür erst zwei Frank, dann drei Frank. Er gab mir auch dies beides mit den Worten wieder: „Dies schenk' ich dir!“ Ich kannte den Mann; ich wußte, wie weit ich gehen durfte. Seine Geldgier wuchs mit der Höhe der Gabe. Ich gab ihm vier und dann sogar fünf Franken. Bei der letzteren Summe schloß er allerdings die Hand und machte eine Bewegung, als ob er das Geld einstecken wolle. Dabei sah er mich forschend an. Ich machte mein gutmütigstes Gesicht und hob die Hand, als ob ich noch weiter in den Beutel greifen wolle. Das war zuviel für ihn; er konnte nicht widerstehen. Er hielt mir auch die fünf Franken wieder hin und sagte in einem Ton, als ob dies für ihn gar nichts sei: „Ich schenke dir auch das!“
    Da nahm ich es zurück, tat es in den Beutel, aber recht hübsch langsam, um ihn nicht um den kleinsten Teil des Genusses zu bringen, steckte den Beutel ein und antwortete: „So weiche ich deiner Güte und nehme dein Geschenk an. Ich danke dir! Leb wohl! Allah segne dich und dein großmütiges Haus für alle ferneren Gäste!“
    Hierauf stiegen wir ein, doch ohne uns zu beeilen, denn das Gesicht, welches er machte, war des größten Zögerns wert. Er hielt die Arme weit ausgestreckt, als ob er uns festhalten wolle. Der Mund stand ihm offen. Und auf dem Gesicht lag der Ausdruck einer Bestürzung, die fast an Entsetzen grenzte. Er war sprachlos, brachte kein Wort, keinen Laut hervor. Da zogen die Pferde an und fielen, um die verlorene Zeit einzubringen, sogleich in Trab. Als wir an der nächsten Biegung des Weges zurückschauten, stand der Mann noch immer starr auf demselben Fleck. Ein allgemeines, herzliches Lachen, in welches sogar der arabische Kutscher einstimmte, war die Folge. Der weitere Weg bietet viel geschichtlich Interessantes, was aber nicht auch in anderer Beziehung interessant erscheint. In Aïn ed Dirwe gibt es eine schön mit Quadern gefaßte Quelle, wo nach Apostelgeschichte 8 der Apostel Philippus den Schatzkämmerer der Königin Candace von Äthiopien taufte. Später kommt man an den Ruinen von Beth Zur vorüber, welches Josua 15, 58 und Nehemia 3, 16 erwähnt wird und zur Zeit der Makkabäer von Bedeutung war. Nach etwa einer halben Stunde liegt links von der Straße, vielleicht 400 Schritte von ihr entfernt, ein großes Mauerwerk, Haram Ramet el Chalîl (Heiligtum Abrahams) genannt, in dem sich eine Zisterne, der sogenannte ‚Brunnen Abrahams‘, befindet. Mit diesem Platz haben wir uns noch eingehend zu beschäftigen.
    Schon längst, ehe man an dieser Stelle vorüberkommt, kündigt sich die Nähe der Stadt durch Weinberge und Gärten an, deren Früchte schon im Altertum einen guten Ruf besaßen. So sagt man z.B. daß die Riesentraube, welche die Kundschafter dem Moses brachten, bei Hebron am Bache Eskol geschnitten worden sei. Zu fahren hat man von hier aus nach der Stadt nicht ganz eine halbe Stunde. Früher pflegte ich, sooft ich nach El Chalîl kam, bei dem alten, ehrwürdigen und gegen Bekannte außerordentlich gefälligen Juden Eppstein einzukehren, welcher, weil er aus Deutschland stammt, der deutschen Sprache mächtig ist und sich jedes Deutschen annimmt, soviel es seinen, bei dem hiesigen Christenhaß allerdings nur schwachen, Kräften möglich ist. Heute konnte ich das nicht, und zwar um Mustafa Bustanis willen, mit dem wir kamen. Er hätte sich durch die Einkehr bei einem Juden für immer um seinen ganzen guten Ruf gebracht. So fuhren wir denn zu einem seiner Geschäftsfreunde, der Platz genug besaß, Pferde und Wagen unterzubringen. Ob aber auch uns, nämlich mich und meine Frau? Glücklicherweise war der Mann einer der wenigen Toleranten (Duldsamen gegen Andersgläubige), die es hier in Hebron gab. Wir wurden nach einigem Zögern aufgenommen, aber von Mustafa und seinem Sohne getrennt und in einem kleinen viereckigen Raum untergebracht, der keine Fenster hatte. Um Licht zu haben, mußte man die Tür

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