41 - Unter heisser Sonne
freundlich nickend und fragte den Bub: „Was für ein Held bist du denn heut?“
Der antwortete in gewohnter Geistesgegenwart sofort: „Ich bin Josua, der Eroberer.“
„Wohin willst du?“
„In das Land der Kananiter, um ihnen zu zeigen, daß wir uns nicht vor ihnen fürchten.“
„Wo liegt denn dieses Land?“
„In Chalîl.“
„So nimm dich wohl in acht, mein Junge! Die Leute dort hauen zu, ohne erst um Erlaubnis zu fragen.“
Hierauf ritt er weiter. Mustafa Bustani versicherte uns, daß er für alles, was unterwegs nötig sei, gesorgt habe. Thar schwang sich neben den Kutscher auf den Bock, wo er sich jedenfalls freier und höher fühlte als bei uns tiefer im Wagen. Dann zogen die Pferde an.
Der Weg führt vom Jaffator ziemlich steil in das Hinnomtal hinab, am Birket es Sultan (Sultansteich) vorüber und drüben wieder hinauf, zur Hochebene El Buckei'a, an deren Ende das Kloster Mar Eljâs liegt, von dem aus sich eine weite, hochinteressante Fernsicht bietet. Man bringt den Namen dieses Klosters mit dem Propheten Elias in Verbindung und behauptet, daß aus dem Brunnen, der in der Nähe liegt, die heilige Familie getrunken habe. Jenseits des Klosters kommt man an das Kubbet Rachil (Grabmal der Rahel), wo Rahel, die Frau des Patriarchen Jakob, begraben wurde. Von diesem Orte steht 1. Mos. 35, 19–20 geschrieben: „Also starb Rahel und ward begraben an dem Weg gen Ephrat, welches nun Bethlehem ist. Und Jakob richtete ein Denkmal auf über ihrem Grab; das ist das Grabmal der Rahel bis auf diesen Tag.“
An dieser Stelle teilt sich der Weg. Links führt er nach Bethlehem und geradeaus nach Hebron. Wir schlugen also die letztere Richtung ein und kamen nach drei Viertelstunden zu den drei ‚Salomonischen Teichen‘, welche in weit vorchristlicher Zeit angelegt wurden, um Jerusalem mit Wasser zu versorgen. So interessant diese Teiche und das in ihrer Nähe liegende Kastell in geschichtlicher und baulicher Beziehung sind, auf unsere Erzählung haben sie keinen Einfluß, und so fahren wir für jetzt an ihnen vorüber. Interessanter ist mir das breite Wadi el' Arrûb, wo auf halbem Weg zwischen Jerusalem und Hebron ein ‚Café‘ errichtet ist, damit Menschen und Tiere einen Platz finden, sich auszuruhen. Man hat sich da nicht etwa ein europäisches Café vorzustellen, sondern ein enges, niedriges, steinernes Mauerwerk, in dem ein ziemlich schmutziger Kerl in einem schmutzigen Topf aus schmutzigem Wasser eine schmutzige Brühe kocht, die er Kaffee nennt und an vorüberreisende Europäer zu sündhaften Preisen verkauft. Aber die Sünde besteht nicht etwa darin, daß er diese Preise fordert – o nein, dazu ist er zu pfiffig. Es könnte ihm dann infolge von Beschwerden die Erlaubnis, Kaffee zu schenken, entzogen werden. Er fängt das klüger an. Von Einheimischen fordert er den denkbar niedrigsten Preis; zu Fremden aber sagt er stets: „Ich nehme, was du mir gibst!“ Hiervon ist er durch keine Bitte und durch keine Drohung abzubringen, und da der hier vorüberkommende Europäer fast stets wohlhabend und dabei noch extra in gehobener Stimmung ist, und der Kaffeewirt einen sehr hilfsbedürftigen Eindruck macht, so werden ihm Preise bezahlt, die nicht mehr Preise, sondern Geschenke oder gar Tribute sind. Es kam vor, daß er für ein kleines, orientalisches Täßchen Kaffee, welches einen Inhalt von zwei bis drei Fingerhüten hat, die Hand so lange hinhielt, bis er nach deutschem Geld eine Mark und noch mehr bekam, wo fünf Pfennige vollständig genügt hätten. Auch ich war immer ‚nobel‘ gegen ihn gewesen, hatte aber, als ich das letztemal bei ihm war, gesehen, daß er, als ich dann weiterritt, hinter mir herlachte, und das sollte er mir heute nun büßen.
Wir hielten, als wir das ‚Café‘ erreichten, bei ihm an und stiegen aus. Er kam herausgeeilt und fragte nach unseren ‚Befehlen‘, indem er sich mehr als demütig tief verneigte. Mustafa Bustani ‚befahl‘ fünf Tassen Kaffee, dann nochmals fünf und hierauf sogar zum drittenmal fünf. Also fünfzehn Tassen! Das zog. Der Mann zerfloß in Unterwürfigkeit; aber er wußte, daß Mustafa Bustani, der geschäftlich oft nach Hebron reiste und hier einkehrte, kein Fremder war. Den konnte er also nicht als Europäer behandeln. Aber dann, als wir uns anschickten, wieder einzusteigen, zog ich den Beutel. Da strahlte sein ganzes Gesicht. Ich fragte, was die fünfzehn Tassen kosteten.
„Gib, was du willst“, sagte er.
„Ich gebe nur, was du
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