45 - Waldröschen 04 - Verschollen
in demselben Augenblick erhob auch ‚Grizzlytöter‘ sein Messer und stieß es dem Niederstürzenden in das Herz.
„Sein Skalp ist mein!“ rief er.
„Ein schlechter Skalp!“ sagte Sternau, indem er sich unwillig abwandte.
‚Grizzlytöter‘ sah ihn betroffen an und fragte:
„Warum soll der Apache nicht den Comanchen töten?“
„Weil er ihn nicht in einem ehrlichen Kampf erlegt hat, soll er den Skalp nicht tragen“, sagte ‚Bärenherz‘. „Der Comanche war bereits betäubt. Warum hast du ihn geschlagen? Ein tapferer Krieger trägt nicht den Skalp dessen, den er entehrt hat.“
Das war eine harte, aber wohlverdiente Zurechtweisung. Der junge Apache wendete sich ab und warf keinen Blick mehr auf die Leiche. Er getraute sich nicht, wieder in die Nähe der Häuptlinge zu treten, die sich jetzt mit halblauter Stimme berieten.
„Wenn heute zwei Kundschafter hier sind, so steht es fest, daß die Comanchen bald nachkommen“, sagte Sternau. „Wir müssen vorsichtig sein. Die zwei haben uns gesehen und sich jedenfalls geteilt. Der eine ist uns gefolgt, und der andere ist nach der Hacienda geeilt, um deren Bewohner zu warnen. Wollen wir sie überfallen, so ist es nötig, vorher zu rekognoszieren. Und das werde ich selbst tun. Die Zurückbleibenden mögen absitzen, um ihre Pferde weiden zu lassen. Sie mögen ein Lager ohne Feuer bilden und Wachen aufstellen. Sie mögen ferner dafür sorgen, daß die Spuren Verdojas nicht zerstört werden.“
Nach dieser Anordnung, und nachdem er sich bei dem mexikanischen Führer nach der Lage der Hacienda erkundigt, schritt er davon. Die schwere, ihn hindernde Büchse ließ er beim Pferd zurück, aber den Henrystutzen warf er über die Schulter.
Es war dunkel geworden, aber als er ungefähr fünf Minuten gegangen war, sah er die Herdenfeuer leuchten. Sie dienten ihm als untrügliche Wegweiser.
Eines dieser Feuer brannte an der Seite eines großen Felsblockes, der mitten in der Ebene lag. Die Flamme war hier gegen den Luftzug geschützt, und fünf bärtige Vaqueros bildeten einen Halbkreis um dieselbe.
Sternaus scharfes Auge erkannte die günstige Gelegenheit, etwas zu erlauschen, sofort. Er schlich sich herbei, und dies wurde ihm nicht schwer. Der nun von der einen Seite erleuchtete Felsen warf nach der entgegengesetzten Richtung einen tiefen Schlagschatten, in dessen Dunkel Sternau vollständig sicher herbeischleichen konnte. Er nahm an dieser Seite des Felsens Posto und konnte nun jedes Wort des Gespräches belauschen.
„Verdammt gefährlich ist's für uns“, sagte jetzt einer der Vaqueros.
„Nicht im mindesten“, antwortete ein anderer.
„So? Wenn die Apachen kommen, über wen fallen sie zuerst her? Über uns.“
„Ich wette mein Leben, daß sie erst gegen Morgen kommen, und dann sind wir nicht mehr da. Wir sollen uns ja bereits um Mitternacht in die Hacienda zurückziehen.“
„Wo mögen sie stecken?“
„Das erfahren wir, sobald der andere Comanche kommt; er ist ihnen nachgegangen. Dieser Rittmeister, der Dragoner, scheint ein tüchtiger Kerl zu sein. Er hat die Hacienda verbarrikadiert, daß sicherlich kein Apache über die Palisaden kommt. Und wenn über hundert Dragonertruppen krachen, dann werden nicht viele Rothäute übrig bleiben.“
Ah, war das so! Sternau hörte, daß ein Rittmeister mit einer Schwadron Dragoner hier lag. Das gab der Sache eine ganz andere Wendung. Er trat schnell entschlossen hinter dem Felsen hervor und grüßte. Die Vaqueros sprangen entsetzt auf und griffen nach ihren Gewehren, als sie aber sahen, daß sie einen Weißen vor sich hatten, beruhigten sie sich.
„Es liegen Dragoner in der Hacienda?“ fragte er.
„Ja“, antwortete einer.
„Wie viele?“
„Über hundert.“
„Regierungstruppen?“
„Ja.“
„Wird man den Rittmeister sprechen können?“
„Sicher!“
„Gute Nacht!“
Er wandte sich ab und schritt der Hacienda zu.
„Santa Madonna“, sagte der Vaquero, „ich dachte, es sei der Teufel!“
„Ja“, meinte ein zweiter, „dann dachte ich, es sei der Geist des Riesen Goliath. So einen Kerl habe ich noch gar nicht gesehen!“
„Wie er einen anguckte! Man war ganz verblüfft. Man hätte ihn doch eigentlich sehr examieren sollen! Wer mag er sein?“
„Er war keine Rothaut, und das ist genug. Er sah aus wie ein Jäger aus dem Norden; wir werden ihn noch kennenlernen, denn jedenfalls sucht er sich ein Nachtlager in der Hacienda.“
Während hier am Feuer diese Vermutung ausgesprochen
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