50 Shades of Gay: Erotischer Roman (German Edition)
Laufe dieser Sinfonie von Armbeugenfürzen verband uns beide der Wunsch, einfach nach Hause zu fahren.
Während unserer letzten Nacht im Lager gab es einen der Sommerstürme, dank derer der Mittlere Westen noch nicht zur Wüste geworden ist, und durch eine undichte Stelle im Dach der Hütte tropfte Wasser. Irgendwann wurde aus dem Tropfen ein richtiger Guss, der mir direkt auf den Kopf plätscherte. Ich stand auf und baute mir eine Pritsche auf dem Boden. Ich fand unter dem Waschbecken im Bad einen rostigen alten Eimer und stellte ihn auf die obere Koje, was dieses beruhigende Regengeräusch erzeugte, das man auf Meditations-CDs hören kann. Dann versuchte ich zu schlafen.
Ich wälzte mich auf dem kalten, harten Boden hin und her. Er bestand aus Holz und roch nach Jahrzehnten von käsigen Teenager-Füßen, die jeden Sommer darauf herumgetrampelt waren. Cody flüsterte mir in der Finsternis etwas zu.
»Pssst. Hey. Pssst.« Das Geräusch schien aus dem Nichts zu kommen.
»Ja?«, antwortete ich der Finsternis, die ganz nach einem Jungen meines Alters klang.
»Ich bin’s. Cody aus der unteren Koje.« Wir kannten uns einigermaßen. Wir waren keineswegs enge Freunde, aber doch vertraut genug, um einander an der Stimme und am Namen zu erkennen. »Wieso liegst du auf dem Boden?«
Ich erklärte ihm die Sache mit der undichten Stelle, und Cody bot mir an, in seinem Bett zu schlafen. Er schien keine Hintergedanken zu haben, weil ich nicht glaube, dass wir damals überhaupt wussten, was Hintergedanken sind. Ich nahm das Angebot sehr gerne an, da mir klar war, dass auf dem Boden eh nicht an Schlaf zu denken war.
Ich kroch in Codys Koje, die so klein und eng war, dass wir uns ein Kissen teilen mussten. Das war das erste Mal, dass ich mit einem anderen Menschen im selben Bett schlief, seit ich als Kleinkind unter Albträumen litt. Sein Atem klang schwer und sonderbar beruhigend, und er roch nach der Seife, die wir zu Hause in der Küche hatten. Sein sandblondes Haar war noch nass vom Duschen und das Kissen etwas feucht, aber das war mir egal – ich kam schließlich gerade aus dem schlimmsten Wasserbett der Geschichte.
Er sagte mir nicht gute Nacht, und ich merkte, dass er noch wach war. Ich konnte ihn zwar nicht sehen, doch ich spürte, dass er nicht schlief. Er drehte sich auf die Seite, und dabei streifte er meinen Rücken mit – wie sich später herausstellte – seinem erigierten Penis. Ohne weiter darüber nachzudenken, war auch mein Penis auf einmal erigiert. Und nun?
Nach ein oder zwei Augenblicken drehte er sich wieder um, und dieses Mal schien sein Penis noch steifer zu sein. Auch meiner wuchs, ich konnte spüren, wie er in meiner Unterhose das Gummiband dehnte. Ich rückte eine Spur näher an ihn ran, und unsere Schwänze berührten sich. Sie waren zwar durch die Unterwäsche und die Schlafanzüge voneinander getrennt, aber trotzdem – zwei harte Schwänze berührten sich, streckten sich nacheinander in der Dunkelheit. Er sagte kein Wort, ebenso wie ich, aber auf einmal führte er mich ins Bad.
Ich folgte ihm, und in der pechschwarzen Finsternis küssten wir uns. Erst ganz langsam und zart, dann immer fester, härter, leidenschaftlicher, ganz wie in den Filmen, die ich mir ohne Wissen meiner Eltern ansah. Er berührte meinen Penis nicht, und ich berührte seinen nicht. Wir standen bloß da, betasteten uns mit den Händen, entdeckten zum ersten Mal unsere Körper und fanden heraus, was Sex ist. Irgendwann legten wir uns auf die kalten, harten Kacheln des dunklen Badezimmers in einem Ferienlager irgendwo in Michigan – zwei Jungs, die sich küssten.
Am nächsten Tag redeten wir kein Wort über die Sache, und das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe.
Mir jagte dieser Augenblick keine Angst ein, ganz und gar nicht. Ich zog daraus eine Menge Selbstvertrauen, die endgültige Antwort auf eine Frage, die seit ich denken konnte in meinem Hinterkopf schwirrte. Ja, sagte ich mir, ich bin schwul. Ich zog aber keine Konsequenzen daraus, wenn man meinen Umzug nach Los Angeles im Jahr darauf nicht mitzählt. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, war das schon ziemlich schwul. Selbst nach drei Jahren in Los Angeles habe ich immer noch nichts anderes getan. Ich weiß auch nicht, worauf ich eigentlich warte; vielleicht habe ich Angst. So oder so, das Warten geht mir allmählich auf die Nerven.
Warum, frage ich mich, während ich auf die makellose Einfahrt des ›Beverly Hills Hotel‹ zusteuere, denke ich
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