50 Shades of Gay: Erotischer Roman (German Edition)
übliche Routine: Reporter kommt rein, hat vier Minuten, um ein paar im Vorfeld abgesegnete Standardfragen zu stellen, und verschwindet dann wieder. Eigentlich soll Matty hin, aber jetzt hat er diesen Magen- und Darminfekt und sucht nach einem Ersatz, und von seinen Kollegen hat keiner Zeit.
Ich erinnere Matty daran, dass ich noch nie ein Interview vor der Kamera geführt habe – eigentlich habe ich noch nie etwas vor der Kamera gemacht, wenn man den Videomitschnitt meiner wenig überzeugenden Darstellung des Tewje in einer Highschool-Aufführung von Anatevka nicht mitzählt, und das tue ich nicht.
Wie immer hat Matty weitaus größeres Vertrauen in meine Fähigkeiten als ich selbst. Er hat eine Art, anderen Menschen derart viel zuzutrauen, dass es schon fast beleidigend ist: »Wie kannst du nur glauben, dass ich so clever sein könnte? Hast du mir denn nie zugehört? Kennst du mich denn überhaupt nicht?!«
»Du schaffst das schon. Du musst einfach nur so tun, als wärst du aufgeregt, mit dem großen Star über seinen neuen Film zu reden. Es geht hier immerhin um Taylor Grayson. Da kannst du doch bestimmt ein bisschen Begeisterung aufbringen, oder?«
Matty hat nicht ganz unrecht. Das dürfte nicht allzu schwer sein. Zum einen wäre Grayson die größte Berühmtheit, der ich bislang begegnet bin, und zum anderen werde ich schon beim bloßen Gedanken an ihn geil.
»Was soll ich ihn denn fragen?« Ich muss mich von der Vorstellung ablenken, wie der Bizeps von Taylor Grayson jeden Hemdsärmel, den er trägt, an den Rand des Berstens bringt.
»Das Übliche halt … Was war das Schwierigste an diesem Film? Was hat Sie an der Rolle gereizt? Wer hat Sie bei der Darstellung inspiriert? Ach, übrigens spielt er einen Feuerwehrmann.«
Ich nicke, als würde ich das zum ersten Mal hören. Ich bin zwar kein psychopathischer Taylor-Grayson-Stalker, wirklich nicht – aber es wäre gelogen, wollte ich behaupten, dass ich mir nicht schon mehrmals auf den Trailer zu seinem neuen Film einen runtergeholt hätte – auf die Szene, wo er ungefähr vierzig Klimmzüge am Stück macht. Taylor Grayson hat viele Facetten – international erfolgreicher Filmstar, Covermodel zahlloser Zeitschriften, Liebling der Klatschpresse –, aber vor allem ist er eine Wichsvorlage für so ungefähr jeden schwulen Mann und jede heterosexuelle Frau.
»Machst du’s?«, fragt Matty mit einem Blick, der die Augen eines traurigen Hündchens mit dem Gesichtsausdruck von jemandem mischt, der seine Arbeit auf einen anderen abwälzen will.
Wie oft, frage ich mich, hat man schon Gelegenheit, seiner ultimativen erotischen Fantasie leibhaftig gegenüberzustehen? Klar, ich lebe in Los Angeles, aber trotzdem ist das nichts Alltägliches. Ich habe mal Brad Pitt in einem Supermarkt gesehen, und das erzähle ich immer noch auf Partys – dabei bin ich mir nicht mal hundertprozentig sicher, dass er es auch wirklich war. Zumindest wäre diese Begegnung unter vier Augen mit Taylor Grayson eine wundervolle Anekdote für Partys, so wie das neuste Album von Pink oder was Sherri Shepherd in ihrer Talkshow wieder für verrücktes Zeug gelabert hat.
Einen Moment lang denke ich an die uralte Weisheit, dass man seine Idole besser nie kennenlernen sollte. Aber Taylor Grayson ist nicht mein Idol, er ist bloß jemand, den ich scharf finde. So überaus wahnsinnig scharf, dass ich einen Ständer kriege, wenn ich nur an ihn denke. Ohne zu zögern antworte ich laut und deutlich: »Ja.«
2
Erst als ich im Auto sitze und auf dem Weg zum ›Beverly Hills Hotel‹ bin, geht mir auf, wie abgefahren diese Sache eigentlich ist. Es gehört nicht gerade zu meinem Alltag, den Mittwochnachmittag im ›Beverly Hills Hotel‹ zu verbringen – oder sonst wo in Beverly Hills. Ich war bislang nur zweimal dort – einmal, als ich nach meinem Umzug nach Kalifornien den Rodeo Drive sehen wollte, und das zweite Mal, als ich mich auf dem Weg zum ›Beverly Center‹ verfuhr und fast die Hauptdarstellerin aus H ö r mal, wer da h ä mmert angefahren hätte.
Ich werde immer nervöser, ich weiß auch nicht warum. Das kann nicht nur an dem überwältigenden Druck liegen, den man verspürt, wenn man das Postleitzahlengebiet 90210 betritt. Das hier ist eine andere Art von Nervosität, eine, die mir den Magen so zuschnürt, dass ich nicht mal mein Müsli zu Ende essen konnte. Da ist auch noch etwas, das ich nicht so leicht einordnen kann. Eine Art Aufregung, ein Gefühl, als würde mir ein großes
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