57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
ertönt das Zeichen. Lassen sie uns aufbrechen; der Zug kommt.“
Sie begaben sich nach dem Perron und stiegen in ein Coupé erster Klasse.
Sie hatten gar nicht die beiden Damen bemerkt, welche ganz in ihrer Nähe das Einlaufen des Zuges beobachtet hatten. Es waren dieselben, mit denen sie im Wald auf eine so ungewöhnliche Weise zusammengetroffen waren.
„Nehmen wir Frauencoupé?“ fragte die jüngere.
„Nein, liebe Emma.“
„Aber man weiß nicht, welche Gefährten man trifft.“
„Ich bin Offiziersfrau, und als solche darf ich mich nicht fürchten.“
Sie sahen ein Coupé erster Klasse offen stehen und stiegen ein, die ältere voran, die jüngere dann.
„Donnerwetter, die sind's!“ tönte es ihnen entgegen.
Der Dicke war es, der aus Überraschung diesen Ruf ausgestoßen hatte. Die ältere Dame hörte es und erkannte ihn. Sie machte sofort Miene, wieder auszusteigen, aber ihre Gefährtin, welche weder etwas gehört noch gesehen hatte, stand bereits auf dem Trittbrett und der Schaffner rief:
„Bitte schnell, meine Damen! Es läutet zum dritten Mal!“
Unter diesen Umständen gab es keine Wahl; man mußte bleiben. Der Schaffner warf die Tür zu, und der Zug setzte sich in Bewegung.
Jetzt sah nun auch die Jüngere, in welche Gesellschaft sie geraten war. Ein eigentümliches, ironisches Lächeln zuckte um ihren Mund; dann ließ sie den Schleier nieder, wie um anzudeuten, daß sie für niemand vorhanden sei.
Die beiden Herren saßen an dem einen und die Damen an dem anderen Fenster.
„Glückliches Omen!“ flüsterte der Berliner. „Soll ich?“
„Was?“ flüsterte sein Gefährte zurück.
„Na, die Liebeserklärung.“
„Unsinn. Wollen Sie die Damen beleidigen?“
„Keineswegs. Ich verstehe mich ganz gut auf solche Sachen.“ Er setzte sich in Positur, drehte sich nach den Damen hin, zupfte sich die Weste, welche ein wenig emporgerutscht war, zurecht, räusperte sich verheißungsvoll und sagte:
„Darf ich Ihnen vielleicht meinen Platz anbieten, gnädige Frau? Sie fahren wohl nicht gern rückwärts?“
Hätte sie angenommen, so wäre er vis-á-vis der Jüngeren zu sitzen gekommen. Seine Frage war in einem höflichen Ton gesprochen worden. Die Dame konnte also nicht umhin zu antworten. Sie neigte den Kopf ein wenig und sagte:
„Ich danke! Ich bin nicht nervös!“
„Oh, ich auch nicht!“ fügte er sehr geistreich hinzu, indem er einen triumphierenden Blick auf seinen Gefährten warf.
„Das habe ich bemerkt“, antwortete sie, indem ein feines, satyrisches Lächeln über ihr Gesicht glitt.
„Sehr freundlich. Wo haben Sie das bemerkt, gnädige Frau?“
„Im Wald. Es ist Ihnen ganz gleich, auf welche Weise Sie fahren.“
„Nicht wahr?“ lachte er. „Ich brauche dazu weder Kutscher, noch Pferde und Wagen, nicht einmal eine Lokomotive. Ganz gewiß haben Sie unsere Fertigkeit bewundert. Ich muß allerdings annehmen, daß Ihnen das Vorkommnis ein wenig unerklärlich gewesen ist?“
„Ich gestehe das allerdings ein.“
„Darf ich Ihnen die Erklärung geben?“
„Ich bitte darum.“
Es hatte eigentlich gar nicht in ihrer Absicht gelegen, auf eine Unterhaltung einzugehen, aber ein Blick in das offene, ehrliche und gutmütige Gesicht des Dicken, brachte sie zu dem Entschluß, ihm nicht wehe zu tun.
„Nun sehen Sie, gnädige Frau“, sagte er; „wir haben uns nämlich entschlossen, per Veloziped zu fahren, haben aber die Maschinen noch nicht erhalten. Um nun keine Zeit zu verlieren, sind wir in den Wald gegangen, um uns einstweilen einzuüben. Der Mensch muß praktisch sein. Wenn wir dann später die Velozipeds erhalten, besitzen wir bereits so viel Fertigkeit, daß wir uns sofort aufsetzen können. Ich hoffe, daß sie das sehr zweckmäßig finden.“
„Allerdings ebenso zweckmäßig wie außerordentlich!“ lachte sie.
„Das kann nicht auffallen; wir sind ja zwei außerordentliche Menschen. Wir sind Künstler. Wenn ich mich nicht irre, habe ich bereits im Wald die Ehre gehabt, mich Ihnen vorzustellen?“
„Ja, mein Herr; aber Ihr Name ist ebenso außerordentlich wie Ihre Person; ich muß Ihnen daher gestehen, daß ich ihn leider nicht behalten habe.“
„Sie haben ihn vergessen? Dieses Schicksal haben die meisten irdischen Größen zu erdulden; erst nach ihrem Tod setzt man ihnen Denkmäler. Ich werde mir aber erlauben, mein Andenken bereits jetzt zu Ehren zu bringen, indem ich Ihnen wiederhole, daß ich Hieronymus Aurelius Schneffke heiße.“
„Ich
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