57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
man dich dabei überraschte und ergreifen wollte?“
„Pah! Ich würde gut bewaffnet sein!“
„Das heißt, du würdest von den Waffen entschlossenen Gebrauch machen und dich verteidigen?“
„Ja. Wer mich angreifen wollte, müßte daran glauben!“
„Welche Belohnung würdest du fordern?“
„Das käme auf die Schwierigkeit des Unternehmens an und auf den Wert des Objekts, Monsieur Kapitän.“
„Beides ist bis jetzt noch nicht zu bestimmen. Aber erkläre mir noch einen Widerspruch. Erst sagtest du, daß du eigentlich Kunstschlosser seist, und dann ließest du ahnen, daß deine Wiege nicht an einer gewöhnlichen Stelle gestanden habe.“
„Beides ist richtig. Ich stürzte von der Stelle hinab, auf welcher ich geboren wurde. Ich wurde zunächst ein Glücksritter und später etwas noch weniger Gutes und dabei war es notwendig, sich zuweilen mit gewissen Schlosserarbeiten zu beschäftigen. Einer meiner Kollegen hatte dieses Handwerk oder, wie es hier genannt werden muß, diese Kunst gelernt, und zu ihm ging ich in die Lehre.“
„Das befriedigt mich. Für heute mag es genug sein. Vielleicht ist es zu deinem Glück, daß du heute deine Kunst an meiner Kasse versuchtest. Ich hoffe, du bist überzeugt, daß du von mir nichts zu befürchten hast?“
„Ich befürchte nicht das mindeste.“
„Nun, solltest du dennoch einen kleinen Zweifel hegen, so will ich denselben hiermit zerstreuen. Da, nimm!“
Er öffnete den einen der noch auf dem Tisch liegenden Beutel, welcher lauter Gold enthielt, nahm eine Handvoll heraus und gab es ihm.
„Danke, Monsieur!“ meinte Henry, indem er das reiche Geschenk in seine Tasche verschwinden ließ. „Wenn ich von der Höhe dieses unerwarteten Geschenks schließen soll, um was es sich bei dem erwähnten weiteren Einbruch handelt, so darf ich es mir nicht als einen Pappenstiel denken.“
„Es wird sich allerdings nicht um eine Kleinigkeit handeln.“
„Sie sollen mit mir zufrieden sein!“
„Ich hoffe es! Das Nähere vielleicht bald. Alles übrige, das heißt, deine jetzige Arbeit und so weiter bleibt beim alten. Gute Nacht!“
„Gute Nacht!“
Er ging und begab sich leise nach demjenigen Teil des Schlosses, in welchem die Dienerschaft schlief. In seinem Zimmerchen angekommen, öffnete er die Laterne und warf sich in einen Stuhl. Er stemmte den Kopf in die Hand und begann zu grübeln. Das Licht beleuchtete sein Gesicht, und wenn es einmal aufflackerte, so huschten gespenstische Schatten durch den Raum. Er bemerkte es nicht.
Woran mochte er jetzt denken? An die Eltern, denen er vorhin die Schuld aufgebürdet hatte, ihn zu dem gemacht zu haben, der er war – zum kühnen und verschlagenen Verbrecher? Wer kann das wissen! Wußte doch er selbst es kaum. Er gab sich seinen Gedanken widerstandslos hin, ohne Rechenschaft von sich zu fordern. Das Licht brannte herab, es flackerte einige Male kurz auf und verlöschte dann. Erst jetzt erwachte er aus seinem Grübeln.
„Finster“, murmelte er. „So geht es auch mit dem Licht der Jugend, des Glücks und des Lebens. Aber sorgen wir dafür, daß ein neues vorhanden sei, um angezündet zu werden, wenn das alte verlöschen will! Was nützt das Grübeln und Sorgen! Ich sehe, daß ich richtig gerechnet und mich in dem Kapitän nicht getäuscht habe. Er meint, mir überlegen zu sein; er denkt, in mir ein gutwilliges, dankbares und einträgliches Werkzeug gefunden zu haben; er wird entschlossen sein, mich auszunutzen, bis er mich nicht mehr braucht. Aber er irrt sich. Ich werde ihm dienen um meines eigenen Vorteils willen, aber mich zu betrügen soll ihm nicht gelingen!“
Als am anderen Morgen der Kapitän erschien, um sich mit dem Grafen zum Frühstück, welches sie allein einnahmen, niederzusetzen, zeigte sein sonst so strenges Gesicht einen Ausdruck von Heiterkeit, welcher Rallion sofort auffallen mußte. Dieser fragte daher:
„Über welches Glück sind Sie denn bereits heute am frühen Tag hinweggestürzt, daß ich Sie bei so vorteilhafter Laune sehe?“
„Heute nicht, sondern bereits am gestrigen Abend, gleich nachdem wir uns getrennt hatten“, antwortete der Gefragte. „Und zwar ist es ein Glück, welches Sie ebenso nahe angeht, wie mich selbst.“
„Sie machen mich um so neugieriger. Darf man dieses Glück, von welchem ich mir also auch einen Teil erhoffe, kennenlernen?“
„Ja. Erinnern Sie sich des Gegenstandes, über welchen wir vor unserer Trennung sprachen?“
„Natürlich! Wir sprachen über
Weitere Kostenlose Bücher