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58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

Titel: 58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welch letzterer heute beerdigt werden sollte. Er schien sehr übler Laune zu sein.
    Da öffnete sich die Tür, und eine Frau in Trauer trat ein. Sie war klein, aber starkknochig, hatte keine Zähne mehr – und eine lederartige, gelbe Haut machte ihr Gesicht sehr unangenehm.
    „Nun, Charles“, sagte sie. „Wieviel Wein?“
    „Schon wieder dieser verdammte Wein“, fuhr er auf. „Wir selbst haben keine einzige Flasche.“
    „Aber drüben im herrschaftlichen Keller.“
    „Nun, ich rechne ja bereits seit einer Stunde, wieviel wir nehmen könnten und wieviel Dreier aus Fünfern zu machen wären; aber es ist verteufelt schwierig.“
    „So berechne es später. Heute ist keine Zeit dazu.“
    „Aber wenn uns nun die Herrschaft plötzlich überfällt, und die Bücher sind nicht in Ordnung.“
    „Man kommt nicht sogleich.“
    „Oho! Der General hat geschrieben, daß er in vier Wochen kommen werde. Das wäre ja gut und schön. Aber nun haben wir den Tod des Vaters melden müssen, und da steht zu erwarten, daß er viel eher eintreffen wird, um die Bücher und Bestände zu untersuchen.“
    „Auch das würde uns nicht in Verlegenheit bringen. Der General ahnt doch nicht im entferntesten, daß Vater zweierlei Buchführung eingeführt hatte, eine für sich und eine für den gnädigen Herrn.“
    „Das ist's ja eben, was mir Schmerzen macht. Vater war äußerst bewandert in solchen Finessen; da er mir aber stets nur halben Einblick gestattete, so ist mir jetzt die Sache fast zu schwierig. Soviel habe ich herausgefunden, daß wir Ersparnisse nicht gemacht haben.“
    Die Frau stieß einen Seufzer aus.
    „Reich sind wir nicht“, sagte sie.
    „Ganz und gar nicht. Ehe der General kommt, müssen neunhundert Franken in die Kasse. Woher aber nehmen?“
    „Ich denke, der alte Kapitän – – –?“
    „Nun ja, diese Pulverbestellung wird Geld bringen, doch ist das auch nur ein größeres Loch, welches man gräbt, um ein kleines auszufüllen.“
    „Ich hatte mir das anders gedacht. Wir hätten beim Tod des Vaters unsere Wolle trocken haben können.“
    „Das war ja stets seine Absicht auch – aber diese verdammten Geburtsscheine und Taufzeugnisse. Wo in aller Welt sie nur stecken mögen.“
    „Wir finden sie nicht, nachdem wir bereits alles umgestürzt haben.“
    „Sie waren aber da, wirklich da?“
    „Ja. Die Mutter der beiden Mädchen hat sie selbst aufbewahrt, und zwar an einem sicheren Ort.“
    „Vater hat diesen Ort gewußt?“
    „Natürlich.“
    „Wußte er auch, welches der wirkliche Name der beiden Mädchen ist?“
    „Er wußte alles.“
    „Desto ärgerlicher, daß er so schnell sterben mußte, ohne noch ein Wort sprechen oder schreiben zu können.“
    „Was könnten wir für die Dokumente bekommen? Gewiß große, sehr große Summen“, sagte die Frau.
    „Dummheit!“ antwortete der Sohn. „Du würdest wohl wirklich die Dokumente an die beiden Mädchen verkaufen. Das fehlte noch. Ich will alles haben, alles.“
    „Und nun hast du nichts.“
    „Unsinn! Die Schriftstücke werden sich früher oder später doch noch finden; die Hauptsache sind die Mädchen. Ich heirate Nanon; dann bin ich des Erbes sicher.“
    „Seit wann hast du sie denn eigentlich heiraten wollen, ohne daß sie ja gesagt hat?“
    „Halte den Mund! Sie wird mich doch noch nehmen müssen.“
    „Pah! Ich glaube nicht daran.“
    „Ich werde es dir beweisen. Wäre Vater nicht gestorben, so hätte ich mich jetzt zu ihr nach Ortry auf den Weg gemacht, da wir sowieso den Pulvertransport haben. Der Alte hätte mir geholfen, denn es kann ihm nur lieb sein, daß die Nanon von der Baronesse wegkommt, die in ihr eine Stütze hat. Da jedoch der Todesfall eingetreten ist, kann ich es anders anfangen. Geht es nicht im Guten, so geht es im Bösen. Heut aber muß es sich entscheiden. Heut wird sie mein, freiwillig oder mit Gewalt.“
    „Nur Vorsicht, Charles!“
    „Pah! Wer zum Anführer der Franctireurs mit gewählt wurde, kann kein unebener Kerl sein.“
    „Aber wenn sie nun nicht kommt?“
    „Sie kommt. Sie hat nicht gewußt, was der Vater war, und darum sehr viel auf ihn gehalten.“
    „Und wenn sie nun deine Frau ist – was dann?“
    „So wird das ganze Haus umgerissen, um die Dokumente zu finden.“
    „Dann erbt aber die Madelon die Hälfte.“
    „Keine Centime; dafür laß mich sorgen. Mein Plan ist bereits gemacht. Übrigens sage ich dir offen, daß ich die Nanon nicht nur des Geldes wegen haben will. Sie ist ein verdammt

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