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58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

Titel: 58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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beiden kleinen, weißen Händchen dar, welche er vorsichtig und leise ergriff.
    „Wissen Sie, was Sie sind, Monsieur Schneeberg?“ fragte sie.
    „Ich möchte es von Ihnen hören!“
    „Ein Kind sind Sie, ein kleines, allerliebstes, folgsames und zufriedenes Kind, welches man immer wieder küssen und herzen möchte.“
    „Gott, wäre es doch so!“ antwortete er, indem seine breite Brust sich unter einem tiefen Seufzer dehnte.
    „Und wissen Sie, was Sie noch sind?“
    „Noch etwas?“
    „Ja. Ein Mann sind Sie, ein stolzer, starker, mutiger und treuer Mann, ohne Fehl und Falschheit, ein Mann, dem man den Kopf an das Herz legen möchte, um ihn immer und ewig dort liegen zu lassen. Das sage ich Ihnen, weil ich Sie kenne. Ein anderer würde mich nun gleich in seine Arme nehmen und liebkosen: aber Sie tun das nicht; Sie machen da trotz Ihrer Einfachheit viel höhere Ansprüche. Sie wollen mit der Seele, mit dem Gemüt genießen. Sie wollen mit dem Herzen liebkosen und küssen. Monsieur Schneeberg; ich bin ein armes, dummes Mädchen; ich weiß nicht, was eine andere an meiner Stelle tun würde, aber ich wollte, Sie würden einmal recht sehr glücklich, unendlich glücklich! Und heute will ich noch eine letzte große Bitte aussprechen. Wollen Sie sie mir erfüllen?“
    „Es ist so gut, als hätte ich sie schon erfüllt!“
    „Gut! Denken Sie einmal, daß ich jetzt Ihr kleines gutes Weibchen wäre, nicht?“
    „O Gott, wie gern!“
    „Nun will ich einmal meinen Kopf an Ihr Herz legen. So! Nicht wahr, ich darf?“
    „Tausend- und tausendmal.“
    „Nun legen Sie mir Ihre rechte Hand auf den Kopf. Bitte, lieber Monsieur Schneeberg.“
    „So?“ fragte er, indem er ihren Wunsch erfüllte.
    Es war ihm, als ob ihm das Herz vor Seligkeit zerspringen wolle.
    „Ja, so“, antwortete sie. „Nun beugen Sie sich ein wenig herab zu mir und sagen mir ganz genau die Worte nach, welche ich Ihnen vorsagen werde. Wollen Sie das?“
    „Ich muß, ich habe ja versprochen, Ihren Wunsch zu erfüllen.“
    „Ja, Sie müssen gehorchen“, sagte sie unter einem glückseligen Lächeln, „Sie, der große, starke Mann mir, dem kleinen Mädchen. Also, nun sagen Sie: –“
    Und leise und langsam, sehr langsam, sprach sie ihm die Worte vor:
    „Meine liebe, liebe, gute Nanon.“
    Es traten ihm die Tränen in die Augen. Er hätte am liebsten vor Glück und Seligkeit laut aufweinen mögen; aber er bezwang sich und sagte es nach:
    „Meine liebe, liebe gute Nanon.“
    Und nun plötzlich ergriff sie seinen Kopf, zog ihn noch ein Stück niederwärts und preßte ihre Lippen nur einmal zwar, aber so recht warm und innig auf seinen Mund.
    „Gute Nacht, mein lieber, lieber, guter Fritz.“
    Das hörte er noch, dann war sie plötzlich zur Tür hinaus. Er blieb stehen, als ob er kein Glied bewegen könnte, und erst nach einer längeren Pause wendete er sich ab.
    „Welch ein Mädchen“, flüsterte er. „Wie ein Engel des Himmels. Und welch ein Glück. Es wäre für einen Fürsten zu köstlich und zu groß. Und da fällt es mir zu, mir, dem Waisenknaben, dem Ulanenwachtmeister, der keine andere Zukunft hat, als die gar nicht glanzvolle Anwartschaft auf eine Anstellung als Gendarm oder Steueraufseher.“ – – –
    Schloß Malineau war gegen Ende des vorigen Jahrhunderts niedergebrannt und wurde von dem damaligen Besitzer im Renaissance-Stil schöner und größer wiederaufgebaut, als es vorher gewesen war.
    Der Eigentümer, ein stolzer Aristokrat, hatte nicht gewollt, daß ein Untergebener mit ihm unter demselben Dach wohne, und darum die Wohnung des Inspektors oder Verwalters von dem Hauptkomplex abgezweigt.
    Diese letztere war ganz so, wie Nanon sie beschrieben hatte; höchstens muß noch hinzugefügt werden, daß sie ein glattes Dach besaß, gerade wie das Schloß selbst.
    In dieser Wohnung herrschte heute ein Geruch, welcher lebhaft an Firnis oder Kienöl erinnerte. Es war jener Geruch, welcher neuen Särgen zu entströmen pflegt.
    In einer zweifenstrigen Stube saß ein junger Mensch, der vielleicht sechsundzwanzig Jahre zählen mochte. Seine Gestalt war nicht hoch, aber außerordentlich breit und kräftig gebaut. Ein dicker Kopf, ein Stiernacken und kleine, starre Augen machten zwar den Eindruck des körperlich Kräftigen, aber des geistig niedrig Stehenden.
    Er hatte ein Buch vor sich liegen. In demselben standen Ziffern, mit denen er sich beschäftigte.
    Dieser junge Mensch war Charles Berteu, der Sohn des verstorbenen Verwalters,

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