58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien
den Kopf wieder hereinziehend, da der Zug während dieser Zurufe vorübergerollt war. „Fünf Gouvernanten! Da ist sie ganz sicher dabei. Und ich darf nicht in Thionville bleiben, sondern ich muß noch heute nach Metz. Aber ich werde die Geschichte so kurz wie möglich machen und dann eilig zurückdampfen. Sehen muß ich sie noch, ehe sie begraben wird.“
Und jetzt setzte er sich wieder, stemmte den Kopf in die Hände und summte vor sich hin:
„Wenn sich zwei Herzen scheiden,
Die sich dereinst geliebt,
Das ist ein großes Leiden,
Wie's größer keines gibt!“
Da hörte er eine Perronglocke zweimal läuten; die Maschine pfiff, die Räder kreischten – der Zug hielt in Thionville.
„Thionville! Eine Minute Aufenthalt! Schnell einsteigen!“ wurde kommandiert.
Der Maler hörte nur das erste Wort, das andere ging ihn nichts an. Er mußte auch nach seiner Mappe fragen. Er sprang heraus, als geöffnet wurde.
„Herr, es ist nur eine einzige Min –“, rief der Schaffner.
Schneffke beachtete es gar nicht. Er eilte in den Flur des Bahngebäudes. Dort stand ein Mann mit weißen Tressen an der Mütze.
„Sind Sie der Portier?“
„Ja, mein Herr.“
„Meine Mappe!“
„Welche Mappe?“
„Ich habe sie im vorigen Zug liegen lassen.“
„Ach so! Sie hatten sich verspätet und haben dann nach hier telegrafiert?“
„Ja.“
„Dort ist das Büro.“
Er trat ein und grüßte.
„Ist meine Mappe da?“
Der anwesende Herr blickte ihn forschend an, griff nach einem Papiere, blickte darauf und fragte dann:
„Sind Sie Herr Hieronymus Aurelius Schneffke –“
„Kunstmaler aus Berlin, von Trier aus telegrafiert“, fiel der Gefragte ein.
„Schön. Die Mappe ist gerettet worden. Hier ist sie!“
Er griff in einen Kasten und zog etwas hervor, was ungefähr aussah wie Schnitzel von Papier und Pappe, die mit einem alten Strick umwunden sind. Schneffke griff zu, starrte das Ding mit weitgeöffneten Augen an, öffnete den Mund noch weiter und fragte dann:
„Wa – wa – was ist das?“
„Ihre Mappe, Herr Schneffke!“
„Mei – mei – meine Ma – ma – ma – ppe? Aber das ist ja gar keine Mappe!“
„O doch. Sie ist freilich ein ganz klein wenig beschädigt, weil sie mit verunglückt ist, aber Sie müssen froh sein, daß wir sie noch gerettet haben.“
„Na, das ist eine schöne Bescherung. Hören Sie einmal, Herr, Herr – Herr –“
„Halt, mein bester Herr Schneffke, nur keine Aufregung. Bleiben Sie in Thionville, oder wollen Sie weiter?“
„Weiter!“
„Wann?“
„Nun jetzt, mit diesem Zug.“
„O weh! Der Zugführer hat ja bereits das Signal gegeben. Eilen Sie gleich zu dieser Tür hinaus!“
Schneffke ließ vor Eile den Hut liegen und sprang hinaus. Kein Coupé war mehr offen und alle Räder in Bewegung.
„Halt! Halt!“ brüllte er. „Ich gehöre noch mit dazu.“
„Zurück!“ rief ihm der Stationschef zu. „Es ist zu spät!“
„Herr Schneffke!“ hörte er da eine laute weibliche Stimme rufen.
Er blickte hin und erkannte Madelon, welche am Fenster stand und ihm ein Taschentuch herauswarf. Er tat einige fürchterliche Sätze, um in ihre Nähe zu kommen, und fragte:
„Ist sie mit unter den fünf Zerquetschten?“
„Wer?“
„Die Gouvernante.“
Da antwortete sie lachend:
„Sie ist nicht zerquetscht. Sie lebt; sie wohnt in Thionville bei Herrn –“
Das übrige wurde von dem Rollen der Räder verschlungen, da der Zug sich gerade jetzt in schnellere Bewegung setzte.
Schneffke blieb stehen und holte Atem.
„Gott sei Dank, sie lebt!“ sagte er. „Sie ist mir nicht verloren. Eine Schickung Gottes vielleicht, daß ich diesen Zug auch noch versäumt habe.“
Er sah sein Taschentuch liegen, ging hin und hob es auf. Es war ihm von dem Springen heiß geworden. Er wollte sich die Stirn abwischen; darum griff er nach dem Kopf, um den Hut abzunehmen. Er hatte keinen.
„Sapperment, wo ist mein Kalabreser?“
Er blickte sich um. Keine Spur von einem Hut.
„Ah! Der ist beim Telegrafisten liegengeblieben.“
Er trat bei dem letzteren abermals ein.
„Was wollen Sie?“ fragte der Mann.
„Verzeihung. Ich vergaß, meinen Hut mitzunehmen.“
„Dort liegt er. Sie haben also doch den Zug versäumt? Seien Sie froh, denn wenn Sie mit fortgekommen wären, hätten Sie wegen des Hutes abermals telegrafieren müssen.“
„Das ist allerdings wahr. Wann geht der nächste Zug nach Metz ab?“
„Neun Uhr dreizehn Minuten, also in beinahe fünf
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