59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan
letztere aber ist nicht verreist. Ich werde nach ihm forschen.“
„In den Gewölben?“
„Auch das.“
„Soll ich helfen?“
„Ja. Ich will jetzt meine Erkundigungen fortsetzen und erwarte dich punkt drei Uhr im Waldloch.“
Er ging, und bald darauf verließ auch Fritz die Stadt, um die Nähe des Schlosses aufzusuchen.
Der Zufall war ihm außerordentlich günstig, denn als er vom alten Turm her den Weg nach dem Park einschlug, kamen ihm – die beiden Schwestern entgegen.
Sie waren sehr erfreut, ihn zu sehen, und luden ihn ein, sie auf dem Spaziergang zu begleiten. Es war ein schöner Tag, so vertieften sie sich in den Forst, bis die Damen müde wurden und den Vorschlag machten, im Moos auszuruhen. Während der Unterhaltung, welche nun geführt wurde, kam auch die Rede auf die Erlebnisse in Malineau, auf den alten Betreu und dessen Familie. Natürlich wurde dabei auch die verstorbene Mutter erwähnt.
„Ihren Papa also haben Sie gar nicht gekannt?“ fragte Fritz, der froh war, das Gespräch auf dieses Thema gebracht zu wissen. „Sie wissen auch nicht, was er war?“
„Gar nichts wissen wir, außer einigen Nebensachen.“
„Da fällt mir ein: Sagten Sie nicht einmal, Mademoiselle Nanon, daß Ihr Papa die Mama gern Kolibri gerufen hatte?“
„Ja.“
„Eigentümlich. Daran wurde ich gestern sehr lebhaft erinnert.“
„Wieso?“
„Ich suchte alte Briefe durch und fand dabei ein Blatt mit einem Studienkopf. Unter dem letzteren stand die eigentümliche Unterschrift: Mein süßer, lieber Kolibri.“
„Wirklich? Gewiß?“ fragten die Schwestern.
„Ja.“
„Das ist allerdings höchst wunderbar. Wessen Porträt war es?“
„Es war kein Porträt, sondern ein Studienkopf.“
„Wenn man ihn doch einmal sehen könnte.“
„Das hat keine Schwierigkeiten. Aber es hat auch keinen Zweck. Es ist ja ein ganz fremder Kopf.“
„Aber die Unterschrift macht ihn so interessant.“
„Nun, wenn ich nicht irre, habe ich das Blatt bei mir.“
„Dann bitte, bitte! Dürfen wir es sehen?“
„Sehr gern.“
Er nahm die Brieftasche heraus, suchte eine Zeitlang darin, zog dann das Blatt hervor und gab es ihnen. Er befand sich in außerordentlicher Spannung, welchen Eindruck es machen werde.
Er brauchte nicht lange zu warten. Kaum hatten die Schwestern einen Blick auf den Kopf geworfen, so fuhren sie auf.
„Die Mama!“ rief Madelon.
„Ja, unsere Mama! O mein Gott, das ist sie wirklich, die liebe, gute Mama!“ rief auch Nanon.
Fritz stellte sich ganz verwundert und fragte:
„Wie? Ihre Mama soll das sein?“
„Ja, sie ist es.“
„Das ist jedenfalls eine Täuschung!“
„Nein, nein. Es ist gar kein Zweifel.“
„Erinnern Sie sich Ihrer Mutter denn noch so deutliche?“
„Ganz und gar. Wir waren nicht sehr alt, als sie starb, aber wir hatten sie so sehr lieb, und wen man so lieb hat, den kann man nie vergessen.“
Und Madelon fügte hinzu:
„Selbst wenn wir uns irrten, denken Sie doch hier an diese Unterschrift. Wer könnte da noch zweifeln.“
„Wie aber kommt mein Freund zu diesem Bild?“
„Von wem ist es?“
„Ein Freund von mir hat es gezeichnet, damals ein angehender Maler. Er schenkte es mir, weil ich mich an diesen Zügen nicht sattsehen konnte.“
„Ah, es hat Ihnen gefallen?“
„Sehr, o sehr.“
„Aber wie kann dieser Freund unsere Mama kennen? Ah, ich spreche ja wirklich wie ein Kind! Ich weiß gar nicht einmal, wo er gelebt hat. Vielleicht in dieser Gegend?“
„Nein, sondern in Deutschland. Ich glaube nicht, daß er jemals in diese Gegend gekommen ist.“
„Wo befindet er sich jetzt?“
„Auf einer Reise. Er schreibt mir, daß er bald heimkehren und mich dabei besuchen will.“
„So kennt er Ihren jetzigen Aufenthalt?“
„Ja.“
„Und hier, hier wird er Sie besuchen?“
„Ja. Er steigt hier ab, um einen Tag bei mir zu bleiben.“
„O bitte, Monsieur, fragen Sie ihn doch nach diesem Bild!“
„Ganz gewiß werde ich es tun.“
„Und – – – aber nein, das wäre zu unbescheiden.“
„Was?“
„Das Bild unserer guten Mama. O Monsieur.“
Es traf ihn dabei ein Blick aus ihren schönen Augen, welcher zu beredet war, als daß er ihn nicht hätte verstehen können. Er schüttelte den Kopf und antwortete:
„Es geht nicht, Mademoiselle Madelon. Ich würde gern ja sagen, aber es geht wirklich nicht.“
„Warum nicht?“
„Weil – na, weil Sie zu zweien sind.“
„Ist das wirklich ein Grund?“
„Gewiß. Zu zweien können
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