61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
da Sie sagen, daß Sie direkt aus der Residenz kommen?“
„Man hat es mir geschrieben, oder vielmehr – hm, bitte, rücken Sie näher. Man braucht nicht zu hören, was wir sprechen.“
Der Kellner hatte die Stube bereits wieder verlassen; sie befanden sich also allein in derselben. Um so neugieriger fühlte sich Eduard. Es mußte sehr Heimliches sein, was dieser fremde Herr zu sagen hatte. Winkler neigte sich zu ihm herüber und sagte halblaut:
„Es führt mich nämlich keine andere Absicht in Ihr Vaterstädtchen als diejenige, Sie aufzusuchen.“
„Mich?“ fragte Eduard verwundert.
„Ja, Sie. Man hat mir einen sehr günstigen Bericht über Sie geliefert. Dies ist der Grund, welcher mich veranlaßt, Ihnen mein Vertrauen zu schenken. Sie haben doch von dem Fürsten des Elends gehört, nicht wahr?“
„Ja. Man spricht hier allgemein von ihm.“
„Und Sie stehen speziell in seinem Dienst?“
Eduard fuhr zurück. Er betrachtete sich den Fremden, als ob er ihn in diesem Augenblick erst sehe. Er blickte in ein lächelndes, wohlwollendes Gesicht, und das beruhigte ihn.
„Sie sind erstaunt“, sagte Winkler. „Ich will Ihnen noch mehr sagen: Sie verkehren heimlich mit einem Mann, welcher auch in Beziehung zu dem Fürsten des Elends steht?“
„Herr, ich weiß nicht, was ich Ihnen antworten soll!“
„Dieser Mann“, fuhr Winkler fort, „hat für die unglückliche Familie Beyer gesorgt und auch Ihnen eine Summe ausbezahlt?“
Eduard blieb noch immer wortlos.
„Wollen Sie das in Abrede stellen?“ fuhr Winkler fort.
„Ich verstehe Sie nicht“, antwortete Eduard endlich. „Ich weiß nicht, von wem Sie sprechen.“
Winkler nickte befriedigt vor sich hin und sagte dann:
„So ist's recht! Ich sehe, daß Sie verschwiegen sind und daß man sich auf Sie verlassen kann. Es ist mir außerordentlich lieb, daß ich gerade Sie hier treffe. Es ist mir dadurch der Weg erspart, und ich kann gleich hier mit Ihnen sprechen. Aber auch Sie müssen Vertrauen zu mir haben. Darum lesen Sie vorerst dieses hier!“
Er griff auf die Bank neben sich, auf welcher ein kleines Paket lag. Er öffnete dasselbe. Es enthielt eine ganze Anzahl sorgfältig zusammengefalteter Schriftstücke. Winkler schlug eins derselben auseinander und reichte es ihm hin.
Eduard las. Er bekam dann das zweite, dritte, vierte zu lesen, bis er endlich auch den Inhalt des letzten kannte. Seine Verwunderung war von Sekunde zu Sekunde gestiegen.
„Nun?“ fragte Winkler im Ton eines Mannes, welcher seiner Sache vollständig gewiß ist.
„Herr“, antwortete Eduard, indem seine Züge den Ausdruck tiefer Ehrerbietung bildeten. „Entweder sind Sie ein Beauftragter des Fürsten oder er selbst.“
„Erraten! Also, vertrauen Sie mir?“
„Gewiß! Sehr gern!“
„Können Sie sich denken, um was es sich handelt!“
„Diese Schriftstücke sollen nach Langenberg besorgt werden.“
„Allerdings! Und zwar durch einen ebenso sicheren wie auch verschwiegenen Mann. Wollen Sie das übernehmen?“
„Sehr gern.“
„Wann können Sie aufbrechen?“
„Sogleich.“
„So gibt es nichts, was Sie heute zu Hause festhält?“
„Nichts Notwendiges. Überdies werde ich vorher anfragen, ob ich gebraucht werde.“
„Bei den Ihrigen?“
„Nein, sondern bei –“
Er hielt vorsichtig inne.
„Nun, bei –?“ fragte Winkler.
„Das wissen Sie!“
„Schön! Wie oft kommen Sie mit ihm zusammen?“
„Sooft er es für notwendig hält.“
„Sie haben also keine festgesetzten Zeiten, in denen Sie miteinander verkehren?“
„Nein. Wir wissen uns nach Bedarf zu finden und zu treffen.“
„Wo wohnt er?“
Das Auge Eduards blitzte auf.
„Herr“, sagte er, „Sie wollen meine Verschwiegenheit erproben. Sie kennen seinen Wohnort ebenso genau wie ich selbst. Ich will nicht fragen, ob Sie der Fürst selbst sind oder einer seiner Bevollmächtigten; aber ich werde auch Ihnen nicht mehr sagen, als was ich jedem anderen mitteilen kann.“
Winkler fühlte sich außerordentlich enttäuscht. Dennoch aber zeigte er eine sehr befriedigte Miene und sagte:
„Sie verdienen in Wirklichkeit das Vertrauen, welches man Ihnen schenkt. Ich werde Sie zu belohnen wissen. Sind Sie in Ihren Bemühungen gegen den Waldkönig vorgeschritten?“
„Sie werden den Bericht erhalten haben!“
„Allerdings. Aber was in letzter Zeit vorgekommen ist, darüber erfuhr ich noch nichts.“
„Der nächste Bericht wird es enthalten.“
Winkler hätte dem verschwiegenen
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