61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
Burschen die Faust an den Kopf schlagen können. Er sah ein, daß es unmöglich war, etwas von ihm zu erfahren. Er machte doch gute Miene zum bösen Spiele und erklärte, Eduard die Hand auf die Schulter legend:
„Sie sind wirklich sehr, sehr brauchbar, junger Mann! Ich sage Ihnen vorher, daß Sie Karriere machen werden. Also Sie werden mir dieses Paket besorgen?“
„Gewiß!“
„Aber nur Sie kennen den Inhalt. Kein anderer Mensch darf Einsicht nehmen. Verstanden?“
„Es bekommt ihn niemand zu sehen!“
„Aber ich setze den Fall, daß Sie mit Grenzern zusammentreffen. Diese werden nach dem Inhalt des Päckchens fragen.“
„Ich begegne keinem Grenzaufseher. Ich gehe über den Föhrensteig, wohin sicherlich niemand kommt. Überdies richte ich es so ein, daß ich mit dem Dunkel dort ankomme. Sie können also sicher sein, daß kein Mensch das Päckchen sehen wird.“
„Und doch hat zuweilen der Zufall seinen eigenen Kopf!“
„Oh, ein Sprung zwischen die Bäume, und ich bin fort! Das kann ich mit gutem Gewissen tun, da ich ja weiß, daß es sich nicht um Konterbande handelt. Aber, Herr, eine Frage muß ich aussprechen!“
„Reden Sie getrost!“
„Darf er es wissen?“
„Wer?“
„Nun – Er!“
Winkler erriet, daß der gemeint sei, dessen Wohnung er leider nicht hatte erfahren können, und antwortete:
„Vorher nicht, sondern erst nach Ihrer Rückkehr soll er es erfahren. Es ist das unbedingt notwendig, wenn auch aus Gründen, die ich Ihnen jetzt nicht erzählen kann, die er Ihnen aber dann selbst sagen wird. Sie müssen sogar dann mit ihm darüber sprechen, da er es ist, der Ihnen den Weg zu bezahlen hat.“
„Oh, Herr, ich bin ja bereits bezahlt!“
„Ja. Sie haben Ihr Gehalt bekommen?“
Er schlug damit nur auf den Strauch, um zu erfahren, wie es sich mit dieser Angelegenheit verhalte. Da Eduard zustimmend nickte, fuhr Winkler in seiner Rede fort:
„Das ändert in dieser Sache nichts. Was Sie heute tun, ist extra und muß also auch extra berechnet werden. Nun aber haben Sie erstens Ihren Auftrag noch nicht ausgeführt, der doch erst belohnt werden kann, wenn er zu Ende gebracht worden ist, und sodann hat zweitens der, von welchem wir sprechen, den wir aber nicht nennen, die für die Ausgaben dieser Gegend bestimmte Separatkasse in den Händen. Er ist es also, der Ihnen Ihren Botenlohn zu entrichten hat. Ich werde Ihnen daher jetzt eine Anweisung schreiben, welche Sie ihm bei Ihrer Rückkehr übergeben werden. Wieviel werden Sie verlangen?“
Eduard wurde verlegen; er antwortete:
„Ich weiß wirklich nicht, welchen Preis ich nennen soll. Wollen Sie darauf bestehen, daß ich wirklich etwas erhalten soll, so bitte ich Sie, die Summe zu bestimmen!“
„Gut. Sind fünfzig Gulden genug?“
Eduard machte große Augen. Das war ja eine ungeheure Summe! Der zehnte Teil davon wäre seiner Ansicht nach bereits mehr als genug, ja, mehr als nobel gewesen.
„Fünfzig Gulden!“ sagte er. „Herrgott, das ist ja ein Reichtum!“
„Für Sie vielleicht, aber für mich nicht. Der Fürst des Elends ist ein reicher Mann und pflegt diejenigen, welche ihm treu dienen, auch angemessen zu bezahlen. Nicht der Dienst an und für sich wird nach seinem Wert abgewogen, sondern die Treue ist es, welche belohnt wird. Also, lassen wir es bei fünfzig Gulden?“
„Ich kann wirklich dazu gar nichts sagen.“
„Gut, so bleibt es dabei. Ich werde die Anweisung schreiben.“
Er riß ein Blatt aus seinem Notizbuch, schrieb einiges darauf und reichte es Eduard hin. Dabei fragte er lächelnd:
„Können Sie das lesen?“
Der Gefragte blickte auf die Zeilen. Er vermochte nur zwei Worte zu lesen, nämlich ‚fünfzig Gulden‘. Das andere war in einer fremden Sprache geschrieben, und zwar in lateinischen Buchstaben, so undeutlich, daß er es nicht zu enträtseln vermochte.
„Nein“, antwortete er.
„Es ist die zwischen mir und den Eingeweihten verabredete Geheimschrift. Also nun sind wir einig?“
„Ja.“
„Schön. Wann brechen Sie auf?“
„Sogleich. Erst muß ich allerdings nach Hause; aber dann breche ich so auf, daß ich mit der Dunkelheit den Föhrensteig erreiche.“
„In welches Gebiet gehört er?“
„Ins jenseitige Territorium.“
„Ist ein Zollhaus in der Nähe?“
„Nein. Der Föhrensteig ist als Pascherpfad bekannt.“
„Desto mehr haben Sie sich in acht zu nehmen, daß sie nicht als Schmuggler angehalten werden. Ich wiederhole, daß es mir außerordentlich lieb ist, Sie
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