61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
die Spitzen in Hausers Rock praktiziert, wollen Sie sagen?“ fiel der Anwalt schnell ein.
„Das will ich allerdings sagen.“
„Dieser Gedanke liegt allerdings sehr nahe. Aber, wie soll Seidelmann das angefangen haben?“
„Hm! Er hat sich in Hausers Wohnung geschlichen.“
„Sie sprechen da meine eigene Vermutung aus. Ich dachte ganz das Ähnliche, als ich mich bei Hausers befand und mich erkundigte, ob man des Nachts unbemerkt in das Haus eindringen könne.“
„Welche Antwort gab man Ihnen?“
„Der Alte sagte, daß jedermann durch die Hintertür herein könne. Aber Eduard Hauser hat seinen Rock stets in der Stube gehabt, und die ist stets verschlossen.“
„Aber außerordentlich leicht zu öffnen.“
„Auf welche Weise?“
„Die Tür hat kein Kastenschloß, sondern eines jener hier in dieser Gegend gebräuchlichen Schlösser, zu welchen nicht ein Schlüssel, sondern ein Drücker gehört, welcher eingeschraubt wird. Alle diese Drücker sind sich ähnlich oder sogar gleich. Ein jeder kann mit seinem Drücker die Tür eines anderen öffnen.“
„Daran habe ich nicht gedacht. Auf diese Weise hätte Seidelmann freilich sehr leicht in Hausers Stube kommen können. Aber hier gelten nur Beweise. Vermutungen wiegen zu leicht.“
„Gut! Ich werde den Beweis liefern.“
„Sie, Herr Arndt?“
„Ja, ich! Ich habe nämlich ganz genau gesehen, daß Fritz Seidelmann sich an Hausers Laden schlich, um in die Wohnstube zu spionieren.“
„Können Sie das beschwören?“
„Ja. Aber ein Schwur wird nicht nötig sein.“
„Wann ist das gewesen?“
„Nach meiner Unterredung mit Hauser, welche Seidelmann belauscht haben will.“
„Trat er in das Haus?“
„Nein. Er ging nach Hause.“
„O weh! So ist eben nichts bewiesen.“
„O doch! Nun eben kommt die Hauptsache! Ich schlich ihm nach.“
„Und Sie machten vielleicht eine Entdeckung?“
„Eine sehr wichtige. Nämlich Fritz Seidelmann befand sich nebst seinem Vater und seinem Oheim in einem Zimmer, welches nach dem Garten hinaus liegt. Ich fand eine Leiter und legte sie an eines der Fenster dieses Zimmers an –“
„Sie scheinen Ursache zu haben, diese Leute sehr genau unter Ihre Beobachtung zu nehmen.“
„Sie werden darüber noch weiteres hören. Also, ich lauschte. Was gesprochen wurde, konnte ich nicht hören; aber ich sah, daß ein Bild von der Wand genommen wurde. Hinter demselben war eine Öffnung, und darinnen befand sich – raten Sie!“
„Das Raten würde mir schwer werden!“
„Ist hier aber eigentlich leicht. In dem Loch befanden sich nämlich – Spitzen.“
„Spitzen?“ fuhr der Staatsanwalt empor.
„Spitzen?“ rief auch der Förster.
„Ja, Spitzen.“
„Weiter, weiter!“
„Von diesen Spitzen wurde ein ziemlich langes Stück abgeschnitten.“
„Wozu?“
„Das sah ich leider nicht. Das Zimmer war hell erleuchtet. Das Licht fiel auf mich. Ich konnte sehr leicht bemerkt werden. Ich zog mich also zurück und ging nach Hause.“
„Wie schade! Jammerschade!“
„Oh, noch ist nichts aufzugeben! Resümieren wir: Fritz Seidelmann will Hausers Geliebte verführen; es gelingt ihm nicht; er will sich rächen; er schleicht sich an Hausers Laden und rekognosziert dessen Stube; einige Minuten vorher ist Eduard Hauser nach Hause gekommen und entkleidet sich; er legt seinen Rock auf den Tisch und geht schlafen; das sieht Seidelmann; er eilt nach Hause, holt ein Stück Spitze, schleicht sich in Hausers Stube ein und näht die Spitze in Hausers Rockfutter. Am anderen Tag geht er zu Ihnen und zeigt Hauser an, zufälligerweise unterstützt von Hausers Brief. Hauser wird arretiert, ohne von den Spitzen eine Ahnung zu haben.“
Der Staatsanwalt hatte fast atemlos zugehört.
„Welche Kombination!“ rief er jetzt.
„Halten Sie dieselbe für zu gewagt?“
„Sie ist gewagt; aber doch erscheint sie so natürlich und folgerichtig, daß ich mich Ihrer Meinung unbedingt anschließen möchte. Ich sehe, Herr Arndt, welch ein scharfer Kopf Sie sind.“
„Danke! Lassen wir aber der Kombination den Beweis folgen.“
„Sie meinen?“
„Sie sind natürlich im Besitz der Spitze, welche bei Hauser entdeckt wurde?“
„Natürlich! Sie gehört zu den Akten.“
„Diese Spitze muß mit dem Stück, von welchem sie abgeschnitten wurde, genau zusammenpassen.“
„Gewiß! Man muß sich also zu Seidelmanns begeben.“
„Das ist unerläßlich. Aber noch eins: der Zwirn.“
„Wieso dieser?“
„Nun, glauben Sie, daß
Weitere Kostenlose Bücher