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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hatte bis vor einigen Jahren die Hoffnung gehegt, daß er sich doch noch emporarbeiten werde.
    Da aber hatte der Besitzer des Kohlenschachtes ‚Gottes Segen‘, der Baron Franz von Helfenstein, gerade oberhalb eine riesige Dampfmühle nach amerikanischem System hingebaut, und seit dieser Zeit stand die ‚rote Mühle‘ ganz natürlich auf dem Aussterbeetat.
    Wilhelmi schritt das Tal entlang und sah dann den Rauch aus dem Schornstein der Mühle emporsteigen.
    „Die können sich wenigstens eine warme Stube machen“, sagte er zu sich. „Sie haben das Holz nahe. Ich aber schäme mich, in den Wald zu gehen und als halber Holzdieb zu gelten.“
    Als er in den Flur trat, kam ihm ein angenehmer, erquickender Duft in die Nase.
    „Braten!“ sagte er, ganz verwundert. „Und noch dazu Wild, wie es scheint! Wie kommt der Bruder dazu? Er wird doch nicht etwa –“
    Er klopfte an; drinnen erklang ein lautes „Herein!“ Als er eintrat, sah er seinen Bruder und dessen Frau essend am Tisch sitzen. Er grüßte, und die beiden dankten freundlich.
    Der Müller sah ihm ähnlich, war aber besser genährt, und seine Frau war beinahe dick zu nennen. Doch sah man es ihrem Gesicht an, daß sie von Sorgen auch nicht verschont geblieben seien.
    „Setz dich her!“ sagte der Müller. „Du kommst da gerade zur rechten Zeit.“
    „Hm! Wild! Nicht wahr?“ fragte der Musterzeichner.
    „Ja. Eine Rehkeule.“
    „Sapperlot! Wie kommst du zu einem solchen Braten?“
    „Geschenk.“
    „Von wem?“
    „Das ist Geheimnis.“
    „Dann danke ich!“
    „Unsinn! Sei nicht dumm.“
    „Wenn du nicht sagen kannst, von wem die Keule ist, so geht es nicht mit rechten Dingen zu, und ich muß danken!“
    „Nun, wenn es dich beruhigt: Ich weiß, von wem sie ist.“
    „Von einem, der so etwas verschenken kann?“
    „Das denke ich wohl. Setz dich!“
    „Na, da mag es sein.“
    Er nahm einen Stuhl und setzte sich an den Tisch. Die Müllerin hatte einen Teller nebst Messer, Gabel und Löffel geholt und nahm dann wieder Platz. Sie hatte trotz des delikaten Bratens, der vor ihr lag, ein gedrücktes Aussehen.
    Wilhelmi griff zu Messer und Gabel und schnitt sich ein Stück herab. Aber als er im Begriff stand, den ersten Bissen zum Mund zu führen, setzte er die Gabel wieder ab.
    „Was ist's?“ fragte sein Bruder.
    „Ach, meine Frau!“
    „Na, was denn?“
    „Und meine Kinder!“
    Dabei legte er das Fleisch wieder auf den Teller.
    „Sei nicht dumm, sondern iß.“
    „Das begreifst du wohl nicht?“ fragte seine Frau.
    „Was soll ich denn begreifen?“
    „Er kann nicht essen, weil Frau und Kinder zu Hause nichts haben. Nicht wahr, Schwager?“
    Wilhelmi nickte mit dem Kopf und sagte:
    „Der Bissen würde mir im Munde quellen!“
    Sein Bruder nickte ihm lächelnd zu und sagte:
    „Ja, ja, so bist du! Äußerlich ein harter Kerl und innerlich doch ganz Herz und Gemüt! Wenn es aber nur das ist, so lange getrost zu. Wir haben auch für deine Frau und die Kinder etwas.“
    „Ihr dürft euch nicht berauben!“
    „Das tun wir auch nicht. Wir haben nämlich nicht nur die Keule, sondern ein ganzes Reh geschenkt erhalten.“
    „Von wem?“
    „Das sage ich dir nachher.“
    „Ich glaube, es erraten zu können.“
    „Nun? Rate einmal!“
    „Vom alten Förster Wunderlich. Der hat solche Mucken, wenn er jemand in Not weiß.“
    „Hm! Ich sage jetzt nicht ja und nicht nein. Jetzt essen wir, und dann sollst du es erfahren. Lange getrost zu!“
    Jetzt ließ Wilhelmi sich nicht länger bitten. Er langte zu und ließ es sich schmecken. Er hatte so lange, lange Zeit nicht Fleisch gegessen und wußte fast gar nicht mehr, wie Fleisch schmeckte.
    „Sapperment, schlägst du heute eine Klinge!“ meinte der Müller. „Du hast wohl jetzt Halbfasten gehabt?“
    „Nicht halb, sondern ganz.“
    „O weh! Seit wann?“
    „Heute ist Donnerstag. Am Sonnabend habe ich das letzte Mal gegessen.“
    „Herrgott! Ist's wahr?“
    „Leider! Mir ist's schlecht ergangen.“
    „Und da kommst du nicht zu uns?“
    „Was soll ich bei euch? Ihr habt für euch zu sorgen.“
    „Da sehe mir einer den Menschen an! Wenn ein Bruder hungert, kann der andere doch wohl mit hungern!“
    Die Müllerin musterte ihren Schwager mit einem Blick, in dem sich die tiefste, wärmste Teilnahme aussprach. Es war ihr anzusehen, daß sie eine gutmütige, menschenfreundliche Frau war. Nur lag es heute, wie bereits gesagt, wie Wolken auf ihrem sonst so freundlichen Angesicht.
    „Wie geht's der

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