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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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    Gibt es Perfektion in der Welt?
    Am wahrscheinlichsten dort, wo Symbiosen stattfinden. Wo Lebewesen sich ergänzen, Algen und Pilze, Clownfische und Seeanemonen, Ameisen und Blattläuse, manchmal Hund und Mensch, eher selten Mann und Frau. Sehr wohl aber – und das ist in keiner Weise spaßig gemeint – die Verbindung zwischen einem Kneipenwirt und seinem Gast. Diese Paarung hat etwas von der scharfen Logik der Herr-Knecht-Beziehung, ist aber konfliktfreier, weil die Position des Beherrschten und des Beherrschenden, beziehungsweise das Vertauschen der Positionen, weniger stark wahrgenommen wird. Dazu kommt, daß im Falle von Herr und Knecht eine latente, ungemütliche Sexualität besteht. Niemals aber zwischen Wirt und Gast. Wenn denn Erotik, dann funktioniert sie nicht direkt, sondern nur mittels des Objekts, das die Verbindung besiegelt. Man könnte das gewagterweise eine unbefleckte Empfängnis nennen, nämlich das Glas Wein, das Glas Bier et cetera, das von einem zum anderen wandert.
    Um es aber gleich von Anfang an klar auszusprechen, die »unbefleckte Empfängnis« soll hier nicht im Zentrum stehen. Das Thema ist vielmehr die Beziehung zwischen einem Wirt und seinem Gast, die perfekte Beziehung. Der Alkohol, der dabei ins Spiel kommt, ist weder Teufelszeug noch Medizin. Und selbst wenn er dem Körper des einen, des Gastes, Schaden zufügt, ist auch dies nicht der Punkt. Denn der Schaden wird durch so manches aufgehoben. Ja, der Alkohol, den der Wirt dem Gast serviert, nutzt dem einen wie dem anderen. Sonst wäre es ja auch keine Symbiose im strengen Sinn, also ein für beide Personen nützliches Zusammengehen.
    Das Lokal, das den Namen POW! trug, befand sich im Vorbau eines zweistöckigen Hotels. Das Hotel hieß nach dem Ort, an dessen östlicher Einfahrt es lag, Hotel Hiltroff. Früher hatte das Restaurant ebenfalls diesen Namen geführt, war dann aber im Zuge einer Renovierung umbenannt worden. Beziehungsweise hatte es seine Funktion als Eßlokal eingebüßt und war zum reinen Trinklokal mutiert. Manche sagten dazu Bar, andere Kneipe, und es war wohl beides, je nachdem, wer das POW! betrat. Auch das ist so eine Wahrheit in der Welt, daß nämlich die Dinge die reinsten Chamäleons sind und sich vollkommen nach ihren Benutzern richten. Wenn der Benutzer ein Mensch mit Würde ist, wird ein jeder Gegenstand, dessen er sich bedient, diese Würde annehmen. In der Hand von Drecksäuen wiederum gewinnt alles und jedes eine drecksäuische Note. So einfach ist das.
    Das POW! war nicht gerade eine Goldgrube. Es kamen wenige Leute aus der Ortschaft hierher. Zudem ging das Hotel schlecht, sodaß auch die Fremden fehlten. Obwohl es die durchaus gab. Trotz exponierter Lage des Ortes. Beziehungsweise genau darum. Hiltroff lag hoch oben in einer stark verkarsteten Gegend, in der es häufig regnete und sich ständig der Nebel verfing, ein hellgrauer Nebel, durch den die Lichtstrahlen wie Suchscheinwerfer fielen. Als sei eine fremde Intelligenz auf der Suche nach Leben. Um dann wieder einmal zu erklären, der betreffende Planet sei deprimierend ungastlich, selbst Mikroben dort undenkbar.
    Oberhalb von Hiltroff, zwischen Hügeln aus rissigem Kalkstein, befand sich ein mittelgroßer Bergsee. Sein Wasser war schwarz. Niemand hatte je so schwarzes Wasser gesehen, obgleich dieses Schwarz nicht teerig wirkte, sondern die Durchsichtigkeit einer glasklaren Flüssigkeit besaß – komprimiertes Wasser, dicht gedrängt, ein geschrumpfter Ozean. Manche im Ort sagten dazu »intelligentes Wasser«, ohne das aber näher zu erklären. Andere wiederum fanden, daß sich in diesem See nicht der Himmel, sondern – durch den Nebel hindurch – das Weltall spiegele, ein im Prinzip leeres Weltall. Über die Tiefe dieses Gewässers, des Mariensees, gab es sehr widersprüchliche Angaben. Die letzten Tauchgänge lagen lange zurück. Es hieß, der See sei tot, wie es heißt, das Essen sei verbrannt. Und tatsächlich waren an den wenigen Stellen, die seicht genug waren, den Grund zu sehen, weder Pflanzen noch Fische zu erkennen. Aber es war ein schöner toter See, an dessen felsigem Ufer die Leute von außerhalb gerne saßen. Bei diesen Leuten von außerhalb handelte es sich zumeist um Teilnehmer an Symposien. Auf halbem Weg zwischen dem See und der Ortschaft war ein auf kurzen Stelen aufgesetzter, nach drei Seiten fensterloser Kubus errichtet worden, dessen Oberfläche aus schneeweiß glasierten Backsteinen bestand. Allerdings wirkte die weiße

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