68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
ein Prachtmensch. Ich habe ihn lieb, obgleich er mich –“
Sie schwieg errötend. Und als er sie fragend anblickte, fuhr sie fort:
„Er hat mir heut einen Streich gespielt, den ich ihm eigentlich sehr übelnehmen sollte; aber wer kann ihm bös sein? Ich werde ihn zwar bestrafen, aber das wird mir ganz gewiß selbst weher tun als ihm. Und nun, bitte, wollen wir unsere Wanderung durch das Schloß beginnen.“
Sie führte ihn durch alle Räume des Schlosses. In einem jeden Zimmer sprach sie die Wünsche und Ansichten aus, welche dasselbe betrafen. Er hörte ihr in stiller Bewunderung zu. Sie entwickelte nicht nur eine Herzens-, sondern auch eine Geistesbildung, welche sein Staunen erregte. Eine junge Dame, welche eine solche Fülle gediegenen Wissens besaß, hatte ganz gewiß keine Zeit gehabt, sich mit den Nichtigkeiten und Zerstreuungen der sogenannten vornehmen Welt zu befassen. Sie hatte voller Ernst, Eifer und Ausdauer an sich selbst gearbeitet. Er hatte noch niemals, außer seiner Mutter, eine Dame kennengelernt, welche ihm imponiert hätte. Bei Milda war das der Fall, und er wurde sich dessen mit wahrer Wonne bewußt.
Sie wieder war ganz entzückt von der stillen, verständnisvollen Ruhe, mit welcher er ihren Auseinandersetzungen lauschte. Sie fühlte, daß ein jedes ihrer Worte einen Wert, einen bestimmten Wert für ihn habe, und obgleich er vorläufig nur einnahm und nichts ausgab, so wurde sie sich doch bewußt, daß er ihr überlegen sei.
Dann schritt sie mit ihm um das äußere Schloß herum und erklärte ihm mit liebenswürdigem Eifer, welche Veränderungen und Neugestaltungen sie da anzubringen wünsche.
Jetzt endlich waren sie fertig, und da sagte sie in freundlich schmollendem Ton:
„Nun aber haben Sie noch gar nichts gesagt. Ich habe gesprochen, und Sie hüllten sich in geheimnisvolles Schweigen. Jetzt werden Sie mir eine Zensur erteilen, die ich mir durch meine Plauderhaftigkeit zugezogen habe. Bitte, fällen Sie kein strenges Urteil. Ich bin eine Dame, und das ist bekanntlich der bedeutendste Milderungsgrund, den man kennt.“
„Plauderhaft?“ antwortete er kopfschüttelnd. „Ich bin überzeugt, daß Sie das gerade Gegenteil von plauderhaft sind.“
„Vielleicht haben Sie recht. Ich bin nicht sehr mitteilsam.“
„Und ich meine, daß Sie jetzt so ausführlich sprachen, weil Sie von Ihrem Gegenstand begeistert sind.“
„Einesteils, und andernteils gibt es Menschen, aber nur sehr selten, in deren Nähe man sich gezwungen fühlt, sein Innerstes rücksichtslos und aufrichtig zu erschließen. Zu diesen Menschen gehören Sie.“
Es durchschauerte ihn wonnig bei diesen Worten des schönen Wesens. Er errötete. Sie sah es und fügte schnell hinzu:
„Aber eine Rüge, eine schwere Rüge muß ich Ihnen erteilen. Ich kann sie Ihnen unmöglich ersparen, Herr Sandau! Hoffentlich werden Sie dieselbe in geduldiger Ergebung über sich ergehen lassen!“
„Ganz gewiß.“
„Ich muß eben Ihre große Zurückhaltung tadeln. Sie haben zu allem, was ich sagte, nicht ein einziges Mal eine Meinung geäußert.“
„Wollen Sie mich als einen voreiligen, oberflächlichen Wicht kennenlernen?“
„O nein, nur dies nicht! Jetzt aber darf ich hoffentlich hören, was Sie zu dem allem sagen?“
„Ich bitte noch um einige Geduld. Sie kennen die Verhältnisse und haben über dieselben nachgedacht. Darum können Sie eine bestimmte Meinung besitzen. Das ist jedoch bei mir nicht der Fall. Die Eindrücke, welche ich hier empfing, sind vollständig neue. Wollte ich Ihnen bereits jetzt eine Ansicht sagen, so würde es nur eine oberflächliche, eine wertlose sein können. Ein jedes Ihrer Worte ist von besonderem Wert und Gehalt. Soll ich mich an der Sache und auch an mir selbst versündigen, indem ich mich in Gefahr begebe, von Ihnen für flüchtig gehalten zu werden?“
„Sie nehmen aber die Sache viel zu ernst!“
„Nein, ich behandle sie als Fachmann. Sie sollen meine Ansicht hören, ein förmlich fachliches Gutachten, einen festen Entwurf, den wir besprechen werden, um ihn gemeinsam weiter auszubauen. Darum bitte ich, mir einen oder zwei Tage Zeit zu lassen. Dann werde ich Ihnen das Schloß zeigen, wie ich es mir nach innen und außen vollendet denke, und dann sollen Sie entscheiden, ob Sie sich meines Rates bedienen oder eine bessere, gediegenere Kraft engagieren wollen.“
„Besser? Gediegener?“ fragte sie sinnend. „Ich bin überzeugt, daß ich gut gewählt habe, und diese Wahl werde ich
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