69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen
erfahren habe.“
Sie eilte hinaus, um die Genannte zu suchen. Dieselbe pflegte um diese Zeit, nach dem Mittagessen, die Milch- und andern Wirtschaftsräume zu besuchen. Da aber war sie heut nicht mehr zu finden, denn als sie in der Kammer, in welcher die Milchgefäße standen, gewesen war, hatte der Bauer die Tür geöffnet und ihr in seiner gewöhnlichen, rauhen Weise gesagt:
„Laß jetzt die Milch sein! Ich habe mit dir zu reden.“
„Ist's notwendig?“
„Ja. Komm herauf in meine Stube.“
„Magst du nicht vorher dein Mittagsschläfchen halten?“
„Nein; heut hab ich keine Zeit dazu.“
Nun war sie ihm gefolgt, teils verwundert, teils aber auch beängstigt von seiner Mitteilung, daß er etwas mit ihr zu reden habe. Er pflegte stets höchst selbständig zu handeln. Er war der absolute Beherrscher des Hauses, und es fiel ihm nicht ein, die Meinung eines andern zu berücksichtigen. Eine Besprechung im Vertrauen, wie sie zwischen Eheleuten so häufig sind, hatte seit langen Jahren auf dem Kery-Hof nicht stattgefunden. Daher wußte die Bäuerin sogleich, daß es sich um eine außergewöhnlich wichtige Angelegenheit handeln müsse.
Als beide oben in der Stube des Bauern ankamen, setzte er sich auf einen Stuhl, schob der Bäuerin einen zweiten hin und sagte:
„Setz dich. Was ich dir zu sagen habe, das ist nicht sogleich abgemacht.“
Sie folgte dieser Aufforderung und hielt nun voller Spannung den Blick auf die strengen Züge ihres Mannes gerichtet. Dieser schien nicht recht zu wissen, wie er beginnen solle. Er räusperte sich einige Male und fragte sodann in unsicherem Ton:
„Bist du gesund?“
Sie blickte ihn ganz erstaunt an und zögerte mit der Antwort.
„Nun, hast du mich verstanden? Ich will wissen, ob du gesund bist?“
„Aber warum denn? Natürlich bin ich gesund!“ antwortete sie.
„Das glaube ich nicht.“
„So? Welchen Grund hättest du denn, anzunehmen, daß ich krank bin?“
„Ich habe dich oft husten hören.“
„Mich? Ich weiß von keinem Husten etwas!“
„Du siehst jetzt immer so blaß aus!“
„Ich? Und andre sagen mir, daß ich von Woche zu Woche röter werde!“
„Grad das beängstigt mich. Diese Röte ist ein Zeichen von Blutandrang nach dem Kopf. Dich kann sehr leicht einmal der Schlag rühren, so daß du ganz plötzlich tot bist.“
„Herrgott!“ rief sie erschrocken. „Was fällt dir ein! Wie kannst du so reden! Ich bin in meinem Leben noch nie krank gewesen.“
„Das ist nicht gut!“
„Wie? Nicht gut? Ich begreife dich nicht!“
„Leute, welche nie krank sind, sterben am schnellsten!“
„Dann ständest du ja ganz in derselben Gefahr! Auch dich habe ich noch nicht krank gesehen.“
„Das ist's ja, was mir Sorgen macht. Ich fühle schon seit längerer Zeit, ohne daß ich davon gesprochen habe, daß ich nicht mehr der alte, der frühere bin. Es geht bergab mit mir.“
„Mein Gott! Das sagtest du nicht?“
„Ich sage es dir jetzt, im Vertrauen, ohne daß andre es zu wissen brauchen. Es wird mir oft ganz schwindlig. Es braust mir in den Ohren. Die Beine werden schwer, und aus den Armen sind die Kräfte fort.“
„Du greifst aber heut grad noch so zu wie früher!“
„Scheinbar. Ich strenge mich über meine Kräfte an, um mir nichts anmerken zu lassen. Das schadet mir aber; das greift mir meine Nerven so sehr an, daß ich nachher des Nachts nicht schlafen kann. Das darf nicht so fortgehen. Ich muß mich schonen – und du dich auch. Das sind wir uns selbst und unserer Tochter schuldig.“
„Aber ich fühle mich wirklich noch ganz so rüstig wie früher und allezeit.“
„Täuschung! Das muß ich verstehen. Wenn ich so fortfahre wie bisher, gehe ich zugrunde. Ich brauche einen, der mir die Arbeit abnimmt.“
„Da hast du den Ludwig.“
„Der ist ein tüchtiger Knecht, ja; aber das genügt mir nicht. Einen Knecht kann ich nicht alles anvertrauen. Ich brauche einen Mann, der zu befehlen versteht. Ein Knecht kann das nicht.“
„Meinst du etwa einen Verwalter oder Inspektor?“
„Nein. Mein Gut kann sich freilich mit manchem Rittergut messen, aber die Inspektor- und Verwalterfaxen sind nicht nach meinem Gusto. Es fällt mir nicht ein, so einen Kerl zu besolden. Dazu bin ich ein zu guter Geschäftsmann und kenne meinen Vorteil. Nein. Ich will einen nehmen, der mir meine Arbeit ganz und gar abnimmt, ohne daß ich ihm nur einen einzigen Kreuzer zu bezahlen brauche.“
„Das ist eine verwunderliche Absicht.“
„Wieso?“
„Du
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