70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament
seiner Gegenwart geboten hat, sie abzuholen.“
„So ist's, so also? Ich kann jedoch gar nicht begreifen, was sie dabei beabsichtigt.“
„Ich auch nicht.“
„Vielleichten ist sie dir gut.“
„Das mag sie nur bleiben lassen. Hältst sie denn überhaupt für so eine, die ihre Pflicht vergessen könnt?“
„Ja.“
„Warum? Hast was hört?“
„Hört und sehen.“
„Sapperment! Was denn? Sag es mir!“
„Nein, später vielleicht. Jetzund haben wir keine Zeit.“
„Mußt's mir aber versprechen, daßt mir's wirklich sagen willst!“ bat er in dringlichem Ton.
„Hast das so notwendig?“
„Kannst's dir doch denken, daß mich das sehr verinteressieren muß.“
„Wohl weilst eifersüchtig bist auf sie?“
„Auf die? Das könnt mir grad passieren! Wann ich eifersüchtig sein wollt, so wär's nicht auf die, sondern auf – auf eine ganz andere.“
„Auf wen?“
„Auf – dich, Martha.“
„Geh fort! Willst über mich lachen?“
„Nein, Martha, ich kann dir sagen – aber horch! Ich höre da Leut gehen. Der Gottesdienst ist aus. Wir müssen schnell machen, daß wir hinaufi kommen, ich zur Bäuerin und du zu deinem Oheim.“
Er nahm sie bei der Hand, um sie beim schnellen Steigen zu unterstützen, und sie folgte ihm, so schnell sie es vermochte. Kurz vor der Kapelle hörte das Gebüsch auf. Rings um das Gotteshäuschen gab es einen freien Rasenplatz, welchen man mit einigen Blumen und blühenden Strauchgruppen verschönert hatte. Fritz hielt an und sagte:
„Hier ist der Busch alle. Man darf uns nicht sehen. Tritt du da hier heraus, und ich gehe noch ein wengerl nach rechts. Und nun leb wohl, meine liebe Martha!“
„Behüt dich Gott, Fritz!“
„Denkst heut mal an mich?“
„Ja, gern.“
„Und auch oft?“
„Will schauen, ob ich Zeit dazu hab. Du verlangst gleich gar zu viel. Wann man –“
Sie wurde unterbrochen. Es rauschte vor ihnen. Die Zweige wurden auseinandergeschoben und – die Kronenbäuerin stand vor ihnen in aller Pracht ihrer Frauenschönheit, aber mit zorngeröteten Wangen und haßblitzenden Augen, deren Blick wie ein vernichtender Strahl an dem erschrockenen Mädchen herniederfuhr.
So standen sie sich einige Sekunden lang gegenüber, das Kätherl als das Bild voller, üppiger, anspruchsvoller Schönheit, Martha aber als ein treues Abbild zarter, stiller, reizender Jungfräulichkeit.
Endlich zischte die Bäuerin dem Mädchen zu:
„Was willst hier, Dirn?“
Martha vergaß vor Verlegenheit, ihr zu antworten.
„Willst dir wohl den Fritz erschnappen? Von dem laß nur ab! Den bekommst nicht!“
Der verachtungsvolle Ton, in welchem diese Worte gesprochen worden waren, gab Martha ihr ganzes Selbstgefühl wieder zurück.
„Von dir möcht ich ihn auch nicht!“ antwortete sie. „Die Kronenbäuerin wär die allerletzte, von der ich mir einen Bub geben ließ. Weißt wohl, warum!“
Sie wendete sich ab und verschwand zwischen den Büschen. Die Bäuerin wendete sich nun langsam zu dem Knecht.
Dieser hatte kein Wort gesagt; aber nicht etwa vor Schreck oder aus Angst vor der Bäuerin. Nein. Er hatte aus einem ganz anderen Grund vergessen, zu sprechen.
Als die beiden einander gegenüberstanden, war es ihm mit aller Deutlichkeit in die Augen gefallen, wie schön eigentlich Martha war. Das war eine fromme, keusche, unberührte Mädchenblüte, tausendmal mehr wert und tausendmal schöner noch als die üppige, pflichtvergessene Kronenbäuerin.
Diese Erkenntnis hatte ihn wie mit einem elektrischen Schlag durchzuckt. Er hatte der lieblichen Nichte des grimmigen Försters stets eine große Sympathie gewidmet, ohne es ihr bemerken zu lassen. Auch heut, vorhin, als er sich so rasch entschloß, der armen Holzknechtfamilie auch etwas zu schenken, hatte er nur die Absicht gehabt, einen traulichen Gang mit dem hübschen Mädchen durch den mondscheinüberfluteten Wald zu machen. Das sollte eine, sozusagen, poetische Unterbrechung des alltäglichen Einerlei sein. Er hatte gar nicht etwa wirkliche Liebesgedanken dabei. Und als sie ihm so schnell zugesagt hatte, war ihm zwar eine Art Glücksgefühl überkommen, aber jenes selige Entzücken, welches die Liebe empfindet, wenn sie Erhörung findet, war es nicht gewesen.
Jetzt nun aber, als sich die beiden Frauen gegenüberstanden, die Kronenbäuerin trotz ihrer Schönheit doch abstoßend wirkend, und Martha hell und mild, wie der freundliche, silberne Mondstrahl im Vergleich zu dem glühenden, ermüdenden, ja, verzehrenden
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