Working Mum
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Zu Hause
1.37: Wie bin ich bloß hierher gekommen? Kann mir das mal jemand sagen? Ich meine, nicht in diese Küche, in dieses Leben? Morgen ist das Krippenspiel der Schule und ich schlage auf Mince Pies ein. Nein, damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich gebe perfekten Mince Pies einen lässigen Anstrich, was ein weitaus subtilerer Prozess ist, der eine Menge Feingefühl erfordert.
Die aufwendige Verpackung von Sainsbury werfe ich weg, pelle die Pies aus ihren gefältelten Folienbackförmchen, stelle sie auf dem Hackbrett auf und lasse ein Nudelholz auf ihre unschuldigen, zuckerbeschneiten Gesichter niedergehen. Das ist nicht so leicht, wie es sich anhört, glauben Sie mir. Schlägt man zu hart zu, dann sacken die Törtchen zusammen wie eine dicke Frau beim Hofknicks, die Teigröcke blähen sich und die fruchtige Füllung quillt an den Seiten heraus. Mit einer entschlossenen Abwärtsbewegung allerdings – gerade genug Druck, um einen Käfer zu zerquetschen – löst man eine kleine Krümellawine aus und verleiht dem Törtchen einen wohlgefällig hausgemachten Look. Und auf hausgemacht kommt es mir in diesem Fall an. Das Heim ist, wo das Herz ist. Das Heim ist, wo die gute Mutter ist, die für ihre Kinder backt.
So viel Aufwand wegen eines Briefes, den Emily vor zehn Tagen aus der Schule mitgebracht hat und der jetzt mit einem Tinky-Winky-Magneten am Kühlschrank klebt. Darin wird angefragt, ob «die Eltern bitte eine freiwillige Spende für das festliche Buffet beisteuern» könnten, das nach der traditionellen Weihnachtsfeier eröffnet wird. Die Schrift ist beerenrot, und unten, neben Miss Empsons Unterschrift, grinst schüchtern ein Schneemann mit einem Mörser in der Hand. Aber man darf sich nicht täuschen lassen von diesem bemüht informellen Ton oder all den gut gelaunten Ausrufungszeichen!!! O nein. Briefe von der Schule sind in einem Code abgefasst, einem Code, der derart listig im Text verborgen ist, dass er nur vom Geheimdienst in Bletchley Park oder von Frauen mit Schuldgefühlen im fortgeschrittenen Stadium des Schlafentzugs entschlüsselt werden kann.
Nehmen wir zum Beispiel das Wort Eltern . Wenn hier «Eltern» steht, sind in Wahrheit und noch immer nur Mütter gemeint. (Hat je ein Vater, der eine Ehefrau zur Hand hat, einen Brief von der Schule gelesen? Technisch ist das nicht unmöglich, nehme ich an, aber dabei wird es sich dann um die Einladung zu einer Party handeln, die im Übrigen mindestens zehn Tage zuvor stattgefunden hat.) Und «freiwillig»? Freiwillig bedeutet in der Lehrersprache: «Bei Verweigerung Todesstrafe und/oder Ihr Kind wird keinen Platz in der weiterführenden Schule Ihrer Wahl bekommen.» Und «die Spende» ist ganz bestimmt nichts, was ein faules Stück Mutter im Supermarkt kaufen kann.
Woher ich das weiß? Weil ich mich immer noch an den Blick erinnere, den meine eigene Mutter 1974 mit Mrs. Frieda Davies wechselte, als sich beim Erntedankfest ein kleiner Junge in einem staubigen grünen Parka mit zwei Dosen Libby’s-Pfirsichhälften in einem Schuhkarton dem Altar näherte. Dieser Blick war unvergesslich. Er sagte: Was ist das bloß für eine elende Schlampe, die mal eben bei Tesco an der Ecke reinguckt, um Gottes Güte zu feiern, wo doch auf der Hand liegt, dass es unseren Herrn nach einem hübsch arrangierten Obstkorb in Zellophanhülle verlangt? Oder nach einem Hefezopf? Der vorbildliche Laib von Frieda Davies, der von ihren Zwillingen den Kirchgang hinuntermanövriert wurde, war so dick bezopft wie eine Rheintochter.
«Du musst wissen, Katharine», erklärte mir Mrs. Davies später mit abfälligem Schnauben bei Teegebäck, «es gibt Mütter, die sich die Mühe machen, wie deine Mutter und ich. Und dann gibt es diese Sorte Mensch, die» – lang gezogenes Schniefen – «sich nicht die Mühe macht.»
Natürlich wusste ich, wer damit gemeint war. Frauen, die es sich leicht machten . Schon 1974 kamen diese bösen Gerüchte auf über Mütter, die arbeiten gingen. Weibliche Wesen in Hosenanzügen, die ihren Kindern, so wurde behauptet, erlaubten fernzusehen, solange es noch hell war. Die Fama der Vernachlässigung haftete diesen Kreaturen an wie der Staub ihren Möbeln.
Sehen Sie, ehe ich wirklich alt genug war zu verstehen, was es heißt, eine Frau zu sein, hatte ich schon verstanden, dass die Welt der Frauen zweigeteilt war: Es gab ordentliche Mütter, aufopfernde Bäckerinnen von Apfelstrudel und sauber geschrubbte Hüterinnen der
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