70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament
wurden geöffnet. Ludwig packte den alten Osec an, und zwar so, daß diesem gleich die Arme schlaff am Leib niederhingen. Der Schmied nahm den Jungen. Beide trugen ihre Leute hinaus vor das Haus, wo ein riesengroßer, steinerner Wasserbottich stand, in welchem aus einer Holzröhre kaltes Quellwasser floß. Die beiden Gefangenen schrien aus Leibeskräften. Niemand kehrte sich daran.
„Hinein!“ rief der Schmied.
Plumps und plumps! erklang es. Vater und Sohn fielen in die eiskalte Flut. Sie brüllten grad auf. Sie wollten heraus, wurden aber immer wieder zurückgestoßen.
Es war eine unbeschreibliche Szene. Rund um dem Bottich standen die Männer. Der Trog war nicht tief. Das Wasser ging den beiden nur bis über die Hüften, und sie waren auch nur beim ersten Mal untergetaucht; aber von allen Seiten wurden sie, wenn sie heraus wollten, zurückgewiesen. Man spritzte sie an und warf ihnen ganze Ströme Wassers in das Gesicht.
Sie heulten vor Angst, Wut und Kälte. Es half ihnen nichts, bis endlich der Schmied das Kommando gab:
„Gebt sie frei. Sie haben genug. Nun mögen sie morgen den Kery aus den Hof treiben. Wir werden aber auch dabei sein.“
Die beiden sprangen heraus und flohen so schnell sie konnten, ihre Hüte in der Schenke lassend. Die Zeche hatten sie nicht berichtigt. Sie wurde für sie bezahlt.
Der Spaß wurde noch einige Minuten lang besprochen, und dann kehrten alle zu ihrer früheren Beschäftigung zurück, der Schmied mit den Seinen zur Gründung des berühmten Gesangvereins und die Skatspieler zu ihren Karten.
Als später Kery mit Ludwig nach Hause ging, sagte er:
„Die beiden Kerls müssen doch eine entsetzliche Wut haben, sonst würden sie es nicht wagen, sogar in der Kneipe, wo sie wissen, daß alles gegen sie ist, zu schimpfen. Ich möchte dabeisein, wenn der Alte morgen früh die Brieftasche öffnet.“
„Ich natürlich auch. Welch ein Gesicht!“
„Vielleicht bekommen wir dieses Gesicht zu sehen.“
„Schwerlich.“
„Es kommt ganz darauf an, ob er die Brieftasche zu Hause erst einmal öffnet, um sich zu überzeugen, daß alles in Ordnung ist.“
„Das wird er doch.“
„Man sollte es meinen. Aber vielleicht ist er seiner Sache so sicher, daß er es gar nicht für nötig hält, noch einmal nachzuschauen. Das ist ganz sicher: Wenn er zu uns kommt, so glaubt er, die Wechsel noch zu haben.“
„Das wird dann ein unbezahlbarer Augenblick.“
Es war jetzt mit den beiden, als ob Vater und Sohn miteinander verkehrten. Zu Hause angekommen, reichten sie sich oben im Korridor die Hand, auch etwas, was früher niemals geschehen war.
Als Ludwig in seine Kammer trat, fand er ein anderes, feineres Bett als früher, frisch überzogen und darauf eine Rose. Er drückte sie an die Lippen, denn sie war jedenfalls von Gisela geküßt worden. An die Geliebte denkend, schlief er ein. Er fühlte sich so glücklich wie noch nie in seinem Leben.
Am anderen Morgen wachte er beizeiten auf. Er ging durch Hof und Stall, unbeschäftigt, nur um sich zu unterhalten.
„Pst!“ hörte er es vom Gartenzaun herüber.
Gisela stand dort, und er eilte natürlich zu ihr. Sie war so morgenfrisch und schön.
„Ich danke dir!“ sagte er, ihr die Hand drückend.
„Wofür?“
„Für die gute Nacht, gestern abend.“
„Ich weiß von nichts.“
„Geh! Die Rose.“
„Ja, welche Rose?“
„Auf meinem Bett.“
„Auf deinem Bett hat eine Rose gelegen? Warte, Christel! Das will ich mir verbitten.“
„Die Christel soll sie mir hingelegt haben?“
„Ja. Ich ließ ihr das Bett überziehen, und so ist sie es gewesen, der du die Rose verdankst. Vielleicht betet sie dich im stillen an?“
„Oh weh! Ich habe sie geküßt.“
„Die Christel? Puh!“
„Nein, die Rose.“
„Das will ich eher verzeihen. Ich werde dafür sorgen, daß niemals wieder eine dort liegt.“
„O bitte, alle Abende eine.“
„Was soll das nützen? Du gehst ja fort.“
„Aber ich komme bald wieder.“
„So mache schnell, sonst werden meine Rosen alle.“
„Deine Rosen? Also warst du es doch!“
„Na, wer sonst!“ lachte sie. „Ich wollte es der Christel geraten haben, dich mit Rosen zu verehren. Ist dein Weg gestern von Erfolg gewesen?“
„Vollständig.“
„Du hast die Osecs getroffen?“
„Zweimal. Erst da, wo ich sie suchte, und sodann auch in der Schenke.“
Er erzählte ihr, wie es ihnen da gegangen war. Das verständige Mädchen fand keine Freude daran. Sie sagte:
„Nun werden sie noch
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