73 - Der Dukatenhof
erforderlichen Auflage gedruckt werden könne. Dazu hatte es früher einen besonderen Arbeiter gegeben; der war aber entlassen worden. Herr Frömmelt machte das in eigener Person und ging dabei so außerordentlich geheimnisvoll zu Werke. Es ist zwar erklärlich, daß man beim Drucken neuer Muster keine fremden Menschen, wohl gar Konkurrenten an sich kommen läßt, aber daß selbst ihm, dem Anton, dem Erfinder dieser Zeichnungen, der Eintritt in die Stube verboten war, in welcher die neue Druckmaschine stand, dazu gab es doch keinen haltbaren Grund. Oder wurden vielleicht nicht nur Muster dort gedruckt, sondern auch noch andere Sachen?
Dieser letzte Gedanke war dem Anton gekommen, er wußte nicht woher. Und er konnte ihn nicht wieder loswerden, obgleich er sich die größte Mühe gab. Er trug ihn mit sich herum und sann über ihn Tag und Nacht. Es war ihm, als ob es sich hierbei auch um das Geheimnis mit den neuen Talern handle, und so kam er schließlich zu dem Entschluß, die Druck- und auch die Matrizenstube einmal ganz genau in Augenschein zu nehmen, was aber heimlich geschehen mußte. Er behielt diesen Entschluß für sich und sagte nicht einmal seiner Marie etwas davon. Er hatte ihr schon auch gar nicht die Bedenken mitgeteilt, die ihn in letzter Zeit bewegten, weil er es nicht für nötig hielt, ihr Glück mit quälenden Gedanken zu trüben. Am allerwenigsten in diesen Tagen, wo der Herr und die Dame aus Brüssel so großen Wohlgefallen an ihr und Herzle gefunden hatten.
Es war nämlich vor einigen Tagen ein fremdes Ehepaar in das Dorf gekommen, welches das Erzgebirge bereiste, um die dortige Spitzenklöppelei zu studieren. Der Mann war ein Belgier und besaß ein Versandgeschäft in echten Brüsseler Spitzen. Er hatte erfahren, wie geschickt Marie sei, und hatte sie mit seiner Frau besucht. Diese hatte ihnen verschiedene Arbeiten vorgelegt und dazu eine Menge Muster, welche von Anton für sie gezeichnet worden waren. Dieser hatte nämlich die größte Freude daran, mit ihr vor dem Häusle unter dem Dach zu sitzen und für sie zu zeichnen. Während die junge, glückliche Mutter die Klöppel fleißig klingen ließ und das jetzt vier Jahre alte Herzle sich Mühe gab, der Ziege das Liedchen ‚Weißt du, wieviel Sternlein stehen‘, nachsprechen zu lassen, hatte der Vater das Zeichenpapier vor sich liegen und ließ Muster um Muster vor sich entstehen, von denen eines immer schöner als das andere war. Sonderbarerweise gab es aber kein einziges dabei, in dem sich nicht irgendwo und irgendwie ein Herzle befunden hätte. Auf diese Weise hatte er Hunderte von Mustern angefertigt, die alle in der Kommode lagen, um nach und nach geklöppelt zu werden. Diese Sammlung hatte Marie dem fremden Herrn gezeigt. Er sah bald sie, bald ihre Spitzen, bald auch die Muster und bald auch das Herzle an, schaute dann am Häusle hinauf und am Gärtle hinab und rief dabei aus.:
„Aber liebe Frau, was sind Sie bei all Ihrer Armut doch so reich, ganz ohne es zu wissen? Können Sie schweigen?“
„Ja“, antwortete sie, erstaunt über diese sonderbar klingende Frage.
„Auch Ihr Mann?“
„Der erst recht!“
„Und das Herzle mit der Ziege jedenfalls auch!“ lachte er vergnügt. „Darum werde ich Ihnen einen Vorschlag machen, von welchem niemand etwas erfahren darf. Sie arbeiten von jetzt an nur für mich, und zwar nach diesen, Ihren Herzlemustern. Ich sage Ihnen aufrichtig, daß ich Ihre Spitzen als echte Brüsseler verkaufen werde. Darum die Verschwiegenheit, um welche ich Sie bitte. Dafür aber bekommen Sie einen Arbeitslohn, wie ihn so hoch kein Mensch in Sachsen hier bezahlt. Ich werde mit Ihrem Mann alles Nötige feststellen.“
Sie war natürlich sofort einverstanden. Das Herzle wurde auch gefragt; es nickte. Die Ziege schüttelte zwar den Kopf dazu, aber das konnte auch von der großen Fliege sein, die sich ihr gerade eben jetzt auf die Nase gesetzt hatte.
Die Herrschaften kamen wieder, als der Anton daheim war. Da wurde alles notiert und unterschrieben. Die vorhandenen Spitzen packte man ein, nachdem sie sofort bezahlt worden waren, und zwar so gut, wie Anton und Marie es gar nicht für möglich gehalten hätten. Das Geschäft war abgeschlossen, und die beiden Fremden brauchten also das Bergle eigentlich nicht mehr zu besuchen. Sie kamen aber doch. Warum? Die Bewohner des Häusle hatten es ihnen angetan; das Glück, welches bei diesen wohnte, war ein Magnet, dem man nicht widerstehen konnte. Besonders hatte die Dame es
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