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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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auf das kleine Herzle abgesehen. Am liebsten hätte sie es mit nach Brüssel genommen, an Stelle des einzigen Kindes, welches ihr dort gestorben war. Aber die Eltern gaben es nicht her! Als sie endlich abreisten, taten sie es nicht anders: Marie mußte sich samt dem Herzle zu ihnen in den Wagen setzen, um mitzufahren und in der Bahnhofsstadt noch einen ganzen Tag bei ihnen zu bleiben.
    „Diesen Tag müssen Sie uns noch schenken, für Sie zur Erholung und für uns zum besseren Abschiednehmen!“ so bat die Dame.
    Anton gab seine Erlaubnis gern. Marie war noch nie aus dem Dorf hinausgekommen; er gönnte seiner Frau die große Ehre, die ihr durch diese Einladung widerfuhr, und so kam es, daß er heute den beiden ihm liebsten Wesen zum ersten Mal die Hand zum Abschied reichte.
    Als er dann drüben im ‚Etablissement‘ in der Zeichenstube saß, an deren Tür das fremde Wort ‚Atelier‘ geschrieben stand, kam es ihm vor, als ob der sonst so gefügige Stift ihm heute nicht gehorchen wolle. Er fühlte eine Unruhe, welche er bisher nicht gekannt hatte. Er ging sehr oft hinaus; die Luft im Zimmer wurde ihm zu schwer. So wie heute ihm, muß es jemanden zumute sein, der etwas Böses getan hat oder an dem etwas Böses geschehen soll!
    Der alte Musterwirt war nicht daheim. Er hatte gestern eine seiner häufigen Reisen angetreten, die manchmal nur einen Tag, oft aber auch noch länger dauerten. Der Kompagnon, Herr Frömmelt, ging soeben aus dem Haus und nach dem Niederdorf. Er hatte den Spazierstock in der Hand, ein Zeichen, daß es sich um einen längeren Ausgang handelte. Anton beschloß, auch zu gehen, und zwar nach Hause. Er brachte hier doch nichts fertig; vielleicht ging es besser, wenn er unter seinem Vordächle im Freien saß und an sein gutes Weible dachte.
    Als er unten im Hausflur an der Tür vorüber wollte, an welcher ‚Druckerei und Stereotypie‘ zu lesen war, blieb er überrascht stehen, weil er sah, daß der Schlüssel steckte. Das war noch nie der Fall gewesen, denn wenn sich einer der beiden Musterwirte darin befand, hatte er die Tür von innen verschlossen. Jeder von ihnen besaß einen Schlüssel zu diesen beiden Räumen. Nun waren beide nicht da, und Herr Frömmelt hatte vergessen, den Schlüssel abzuziehen. So eine treffliche Gelegenheit, die längstgehegte Wißbegierde zu befriedigen, stellte sich vielleicht im Verlaufe von Jahren nicht wieder ein. Anton beschloß, sie sofort auszunützen. Niemand war da. Kein Mensch sah, daß er hineinging, und die Tür hinter sich wieder zuzog. Sie zu verschließen getraute er sich nicht.
    Da stand die Presse. Der Tisch war eingeschoben. Er zog ihn heraus. Fast hätte er vor Schreck laut aufgeschrien. Die Platten enthielten keine Muster, sondern es waren die korrespondierenden Seiten von Hunderttaler- und Hundertguldenscheinen. Die Tür zur Stereotypie stand offen. Sie war von doppelt starkem Holz und an beiden Seiten mit Eisenblech beschlagen. Dazu hatte sie diesseits einen schweren, doppelten Eisenriegel. Das sah fast wie eine Gefängnistür aus. Anton ging hinaus. Allerlei Flaschen und Gläser standen zu beiden Seiten des Herdes, auf welchem das Feuer ausgegangen war. Aber Holz lag darauf, zum schnellen Anbrennen fertig gemacht. Es gab Stücke von gehackten Bleistangen und Silberplatten. Am Boden lagen zwei Prägestöcke. Er betrachtete den einen. Er war für Talerstücke vom Jahre 1850. Dieser Raum hatte kein Fenster. Er mußte von einer Lampe erleuchtet werden, welche von der Decke hing. Sie brannte jetzt nicht, doch fiel das nötige Licht von der Druckstube herein.
    Es wurde dem Anton himmelangst; er fühlte, daß er wankte. Sein Kopf begann, ihm weh zu tun.
    „Hinaus, nur hinaus aus dieser Falschmünzerhöhle!“ dachte er. Er drehte sich um, um diesen Gedanken auszuführen. Da ging die vordere Tür auf, und – Herr Frömmelt trat herein. Es war ihm anzusehen, wie mächtig er erschrak.
    „Der Musteranton!“ rief er aus, aber nicht etwa laut schreiend, sondern grimmig fauchend, wie eine Katze, die angeschossen worden ist. „Es fiel mir ein, daß ich den Schlüssel steckengelassen habe. Da erwische ich dich!“
    Er machte die Tür hinter sich zu und hielt dem Anton die geballten Fäuste hin.
    „Nein, sondern ich erwisch dich!“ antwortete der Zeichner. „Ich werde sofort zur Polizei gehen und ihr mitteilen, was ich soeben gesehen habe!“
    „Das – das tust du nicht!“ hohnlachte der Wirt.
    „Ich tue es, so wahr ich vor dir stehe!“
    „Es wäre

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