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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zusammen.
    „Dieses Mal ist es sehr gut gegangen“, raunte er ihr zu. „Ich bringe fast lauter Goldstücke. Komm mit herein in die Druckerei!“
    Er zog seinen Schlüssel aus der Tasche, schloß auf, trat mit ihr ein, schloß von innen zu und zog den Schlüssel wieder ab. Daß hierauf Stunden vergingen, ohne daß die beiden in die Stube zurückkehrten, fiel der Schenkmamsell nicht auf. Sie war dergleichen Absonderlichkeiten gewohnt. Als es dämmerte, stellte sich Herr Frömmelt wieder ein. Er fragte nach seiner Frau, die er nicht sah, und erfuhr, daß sie hinaus zum Vater gegangen sei, als dieser vor drei Stunden von seiner Reise kam. Da griff er, sichtbar erschrocken, zum nächsten Licht und eilte hinaus. Sein Schreck war so groß, daß er dabei die Gaststubentür ganz offen stehen ließ. Die Mamsell folgte ihm bis zu derselben hin. Sie sah, daß er die Tür zur Druckerei aufschloß. In dieser wurde es von seinem Licht spärlich hell. Die jenseitige Tür zur Stereotypie war geöffnet worden. Ein scharfer, stechender Geruch drang in den Flur hinaus. Herr Frömmelt schrie:
    „Er hat sie nachgeholt; er hat sie nachgeholt!“
    Dann fiel das Licht aus seiner Hand; es wurde da drüben dunkel. Das Mädchen konnte diesen Ausruf nicht begreifen. Sie wäre Herrn Frömmelt vielleicht gefolgt, aber sie wußte, daß man nicht hinüber durfte, und soeben schloß er hinter sich zu. – – –
    Nun war es volle zwanzig Jahre später. Heute jährte sich der Tag, an welchem Herr Frömmelt damals seine Frau und ihren Vater so auf einmal und plötzlich verloren hatte. Darum ging er mit Fräulein Rosalia, welche einen großen Blumenstrauß trug, zum Gottesacker, um die lieben Toten zu besuchen. Diese lagen nebeneinander. Ein gemeinsames Denkmal berichtete über sie. Unter ihren Geburts- und Todestagen stand zu lesen: „Vereint geschieden, ruh'n sie in Frieden, um dort im Paradiesgarten, des Lebens Früchte zu erwarten. Die trauernden Hinterlassenen.“
    Als Vater und Tochter vor dem Doppelgrab standen, sagte der erstere in tief bewegtem Ton:
    „Ich mache mir noch heute Vorwürfe darüber, daß ich, streng genommen, auch mit schuld an ihrem Tod bin. Ich hatte ein großes Faß voll Most kommen lassen, um den armen Webern ein Mostfest zu bereiten. Das Faß war nicht dicht, es lief aus. Dadurch füllte sich der kleine Keller im alten Haus mit tödlichen Gasen, an denen sie starben, als sie so unvorsichtig waren, miteinander hinunterzugehen, um den Most zu holen. So kann die Wohltat, welche für andere bestimmt ist, zum eigenen Verderben werden!“
    „Und nicht wahr, es war derselbe Tag, an welchem der Musteranton sich ersäufte?“ fragte die Tochter.
    „Ja, das böse Gewissen trieb ihn in das Wasser. Ich war spazierengegangen und wußte also nicht, wie das Unglück sich ereignet hatte. Er hatte deine arme Mutter um einige Flaschen Most für seine Frau angebettelt. Da stieg sie mit dem Vater hinab, um ihm aus dem Faß zu schöpfen, worin aber keiner mehr war. Der giftige Dunst warf beide gleich an den Stufen hin, wo ich sie fand. Am Abend lauerte mich der Anton heimlich ab. Er hatte gehört, was geschehen war, und gestand mir, daß er mit seiner Leckerei sie in den Tod getrieben habe. Er möge es gar nicht überleben, daß er ein Mörder sei. Als am anderen Tag seine Frau von der vornehmen Wagenfahrt heimkehrte, sah sie ihn beim Brückle tot im Wasser liegen. Er hatte dich um die Mutter und um den Großvater gebracht. Aber seiner Frau und seiner Tochter wollen wir das nicht nachtragen, weil wir Christen sind und daran zu denken haben, daß auch wir einst sterben müssen!“
    Als sie ihre Blumenspende vor dem Denkmal niedergelegt hatten und eine Wanderung über den Kirchhof machten, sahen sie, daß der Totengräber beschäftigt war, ein neues Grab zu graben. Sie gingen hin.
    „Wer kommt denn da hinein?“ fragte der Musterwirt.
    „Der Neubertbauer, der sich bei dir erstochen hat“, lautete die Antwort. „Er liegt drüben in der Leichenhalle und muß nach dem Gesetz in der Gemeinde begraben werden, in welcher er gestorben ist. Denn er ist so verarmt, daß seine Tochter kein Geld hat, ihn hinüber in sein Dorf schaffen zu lassen.“
    „Und da kommt er in Reih' und Glied mit ehrlichen Menschen, die keine Selbstmörder sind?“ fuhr Herr Frömmelt auf.
    „Ja. Der Pastor hat das so befohlen. Und das Kirchengeläut' bekommt er auch.“
    „Das fehlte noch! Für solche Verbrecher haben wir die Glocken nicht bezahlt. Ich bin

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