8 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 3te Folge
daß kein Wissenszweig völlig aussterben soll – wenn man auch manchen für ziemlich suspekt hält.« Sie lächelte mißbilligend und fuhr dann fort: »Aber manchmal braucht man eben doch Spezialisten, wenn man gewisse Dinge bestätigt haben will. Erfuhren Sie das Ergebnis der Diagnose?«
Wieder schüttelte ich den Kopf.
»Ich dachte es mir. Die Geheimnistuerei ist so typisch für den Arztberuf. Nun, ich werde Ihnen sagen, was die Ärztinnen vom Mütterheim mir am Telefon berichteten. Dann wissen wir gleich, woran wir sind. Kurzum, zwei sind der Meinung, daß Sie an Sinnestäuschungen schizophrener Natur leiden, während die anderen drei eher dazu neigen, in Ihrem Fall eine echte Persönlichkeitsverdrängung zu sehen. Man sagte mir, daß Sie die fünf Ärztinnen während der Untersuchung gehörig verwirrten – und, wie ich mir denken kann, zur Verzweiflung brachten. Persönlichkeitsverdrängung ist ein äußerst seltener Fall. Man kennt bis jetzt nur drei solcher Fälle, von denen wiederum nur einer schriftlich niedergelegt ist. Aber man versicherte, daß in allen drei Fällen die Droge Chuinjuatin eine Rolle spielte.
Nun, eine Mehrheit von drei war der Ansicht, daß Ihre Antworten größtenteils logisch und zusammenhängend waren, das heißt, daß keine Ihrer Antworten im Gegensatz zu dem Wissen der Ärztinnen stand. Da sie jedoch außerhalb ihres Fachgebiets nur sehr wenig wissen, bat man mich um Rat.«
Sie machte eine Pause und sah mich nachdenklich an.
»Ich komme allmählich zu dem Schluß«, fügte sie hinzu, »daß Ihr Fall der interessanteste wird, der mir während meines ganzen Lebens vorgekommen ist. – Ihr Glas ist leer, meine Liebe.«
»Persönlichkeitsverdrängung«, wiederholte ich nachdenklich, als ich ihr mein Glas hinhielt, »wenn das möglich wäre …«
»Oh, über die Möglichkeit besteht keinerlei Zweifel. Die anderen Fälle, die ich erwähnte, sind von Ärzten und Wissenschaftlern bezeugt.«
»Es könnte sein – fast«, gab ich zu. »Zumindest in einigen Punkten. In anderen aber wieder ganz und gar nicht. Das Ganze erscheint mir als Alptraum. Sie sind völlig normal. Aber sehen Sie mich oder Ihre kleine Dienerin an. Wo liegt denn nun die Wahnvorstellung? Ich scheine hier zu sein und mit Ihnen zu sprechen – aber da dem nicht so sein kann, befinde ich mich irgendwo anders. Aber wo?«
»Ich kann besser als jede andere verstehen, wie unwirklich Ihnen das alles erscheinen muß. Ich muß sogar sagen, daß ich den größten Teil meines Lebens mit Büchern verbracht habe, die mir Ihre Welt so genau beschreiben, daß mir das Jetzt auch ganz unwirklich vorkommt. Nun, meine Liebe, wann sind Sie geboren?«
Ich sagte es ihr. Sie dachte einen Augenblick nach.
»Hm«, machte sie. »Georg der Sechste. Aber den Zweiten Weltkrieg haben Sie nicht mehr erlebt?«
»Nein.«
»Erinnern Sie sich noch an die Krönung des nächsten Monarchen?«
»Monarchin«, verbesserte ich sie. »Es war Elisabeth. Elisabeth die Zweite. Ich sah mir zusammen mit meiner Mutter den Festzug an.«
»Können Sie sich noch an Einzelheiten erinnern?«
»Eigentlich nicht – nur daß es fast den ganzen Tag regnete.«
So ging es noch ein Weilchen hin und her, bis sie mir beruhigend zulächelte. »Ich glaube, das genügt, um unsere Theorie zu beweisen. Ich habe schon von dieser Krönung gehört – aus zweiter Hand. Es muß eine wundervolle Zeremonie gewesen sein.« Sie sah gedankenverloren vor sich hin und seufzte. »Sie hatten Geduld mit mir, meine Liebe. Jetzt dürfen Sie mich fragen – aber machen Sie sich auf einige Schocks gefaßt.«
»Ich habe mich im Laufe der letzten sechsunddreißig Stunden an allerhand gewöhnt.«
»Trotzdem war es nur ein Vorspiel.«
»Bitte«, sagte ich flehentlich, »bitte erklären Sie mir alles – wenn Sie können und dürfen.«
»Ihr Glas, meine Liebe.« Sie schenkte uns beiden ein. »Also, fangen wir an. Was ist Ihnen bei Ihrem bisherigen Erlebnis als besonders seltsam vorgekommen?«
Ich überlegte. »Es gibt so viel …«
»Haben Sie bisher einen einzigen Mann gesehen?« fragte sie, um mir zu helfen.
Ich dachte nach. Mir fiel der verwunderte Tonfall ein, als mich eine der Mütter gefragt hatte: »Was ist ein Mann?«
»Sie haben recht«, stimmte ich zu. »Wo sind sie?«
Sie schüttelte den Kopf und sah mich fest an.
»Es gibt keine.«
Ich starrte sie an. Ihre Augen waren ernst und voller Mitleid. Sie belog mich nicht. Schließlich würgte ich hervor:
»Aber – aber das ist
Weitere Kostenlose Bücher