8 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 3te Folge
die sauberen Felder und Wege und die gleichförmigen Bauernhöfe. Ab und zu kamen wir an Wohngebieten vorbei – häßlich monotonen Blöcken, in verschiedenen Farben gestrichen. Die Wege waren schlecht geteert. Immer nur begegneten uns Lastwagen, nie Privatautos.
Einmal überquerten wir einen Einschnitt. Als ich von der Brücke in die Tiefe blickte, hatte ich zuerst den Eindruck, wir führen über ein ausgetrocknetes Kanalbett. Doch dann bemerkte ich einen Pfosten, der windschief zwischen Gras und Unkraut hervorragte – ein ehemaliges Eisenbahnsignal.
Wir durchquerten eine Ansammlung Häuserblocks, bei denen lediglich die Größe, nicht aber die Anordnung und das Aussehen auf eine Stadt schließen ließen.
Nach weiteren zwei oder drei Meilen fuhren wir durch ein schmiedeeisernes Tor und kamen in eine Art Park. In gewissem Sinne erinnerte er an den Park, den ich verlassen hatte, denn er war sorgfältig gepflegt: samtgrüner Rasen und blühende Frühlingsbeete. Die Häuser allerdings unterschieden sich von den kastenförmigen Bauten, die uns bisher begegnet waren. Klein wirkten sie, oft nicht größer als Hütten, und sie vereinigten die verschiedensten Stilelemente in sich. Dieser Ort schien meine kleinen Begleiterinnen sehr zu beeindrucken. Zum erstenmal hörten sie mit ihrem fröhlichen Geplapper auf und sahen sich ehrfürchtig um.
Und dann hielten wir vor einem sauberen, zweistöckigen Haus der Regency-Periode.
Diesmal erwartete mich keine Bahre. Die kleinen Wärterinnen, unterstützt von der Fahrerin, halfen mir unter Stöhnen und Keuchen heraus und führten mich ins Haus.
Dort wurde ich nach einigen Schwierigkeiten durch eine Tür geschoben. Ich befand mich in einem herrlichen Raum, dessen elegante Möbel dem Stil des Hauses angepaßt waren. Eine weißhaarige Dame in dunkelrotem Seidenkleid saß in einem Ohrensessel am Feuer. Ihr Gesicht und ihre Hände zeigten mir, daß sie schon sehr alt sein mußte, doch ihre Augen blickten mir klar und jung entgegen.
»Willkommen, meine Liebe«, sagte sie mit einer frischen, festen Stimme.
Sie deutete auf einen Stuhl. Doch als sie mich näher ansah, überlegte sie sich die Sache.
»Wahrscheinlich hätten Sie es auf dem Sofa bequemer«, meinte sie.
Ich sah mir das Sofa an. Mir kamen Zweifel.
»Wird es mich aushalten?« fragte ich. »Oh, ich glaube schon.«
Mein Gefolge schob mich sehr behutsam auf das gute Stück. Mit ängstlichen Gesichtern wartete man. Als sich herausstellte, daß das Sofa zwar knarrte, aber meine Last offensichtlich aushielt, winkte die alte Dame meine Dienerinnen hinaus und läutete eine kleine Silberglocke. Eine winzige Gestalt – ein perfektes Zimmermädchen, aber kaum einen Meter groß – betrat das Zimmer.
»Den brauen Sherry, bitte, Mildred«, befahl ihr die alte Dame. »Sie trinken doch Sherry, meine Liebe?« fragte sie. »Ja – gewiß, danke«, sagte ich ein wenig schwach. Nach einer kleinen Pause fügte ich hinzu: »Verzeihung, Miß – oder Mistreß …«
»Oh, ich habe ganz vergessen, mich vorzustellen. Ich heiße Laura – einfach Laura. Und Sie sind Orchidee, das habe ich schon erfahren – Mutter Orchidee.«
»So sagt man jedenfalls«, meinte ich angewidert.
Wir sahen einander an. Zum erstenmal seit Einsetzen meiner Halluzinationen stand in den Augen eines fremden Menschen Sympathie, ja sogar Mitleid. Ich sah mich im Zimmer um. Wieder diese Einzelheiten, diese klaren Bilder.
»Ich – ich bin doch nicht verrückt, nicht wahr?« fragte ich.
Sie schüttelte langsam den Kopf, doch bevor sie antwortete, kam das winzige Zimmermädchen zurück und stellte eine geschliffene Karaffe mit zwei Gläsern bereit. Als das Mädchen einschenkte, sah ich, wie die Blicke meiner Gastgeberin zwischen uns beiden hin und her wanderten, als wolle sie uns vergleichen. In ihrem Gesicht war ein sonderbarer, schwer zu deutender Zug.
»Aber – das ist ja Madeira«, rief ich. Die alte Dame sah mich überrascht an, lächelte dann und nickte anerkennend.
Das Zimmermädchen ließ uns allein, und wir hoben die Gläser. Die alte Dame nippte nur und stellte das Glas auf ein kleines Seitentischchen.
»Und nun«, erklärte sie, »wollen wir uns ein bißchen näher miteinander befassen. Sagte man Ihnen, weshalb man Sie hierher sandte?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Weil ich Historikerin bin«, erklärte sie. »Der Zugang zur Geschichte ist ein Privileg, das heutzutage nur noch wenigen zugestanden wird. Glücklicherweise ist man der Ansicht,
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