80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
und entspannte sich. Vermutlich hatte er es spätabends oder sehr früh am Morgen getan, bevor sich Urlauber, Wanderer und Kinder am Fluss tummelten, die sich mit aufgepumpten Reifenschläuchen von der Strömung bis nach Paeroa treiben ließen, wo der Ohinemuri in den Waihou mündete.
Mr. van der Vliet hatte zu der Handvoll Menschen in Neuseeland gezählt, die nicht schwimmen können. Er hatte es nie lernen wollen und selbst an heißen Tagen den Aufenthalt auf dem trockenen festen Land bevorzugt. Da er keinerlei Fettschicht hatte, musste er wie ein Stein auf den Grund des Flusses gesunken sein.
Als ich nach Hause kam, rannen mir Tränen über die Wangen. Ich trauerte um Mr. van der Vliet, und das umso mehr, als ich nichts von seiner Beerdigung gewusst hatte und mich nicht hatte verabschieden und ihm für alles danken können, was er für mich getan hatte.
Simón, das Gesicht von seinem langen, dichten Haar wie von einem Vorhang eingerahmt, saß auf einem der Barhocker am Frühstückstresen und las Zeitung. Zu einer alten zerrissenen Jeans trug er ein Iron-Maiden-T-Shirt. Wie immer genoss er die Gelegenheit, sich leger zu kleiden und nicht in den Frack zwängen zu müssen, der ihm meiner Meinung nach großartig stand. Ich fand, er sah darin wie eine Kreuzung aus Werwolf und Vampir aus, er aber hasste ihn und fühlte sich wie in einer Zwangsjacke.
Kaum hatte ich den Raum betreten, sprang er auf und nahm mich in die Arme.
»Fran hat angerufen«, sagte er. »Es tut mir so leid, Baby.«
Ich lehnte mich an ihn und vergrub meinen Kopf in seiner Schulter. Er roch wie immer nach Muskat und Zimt, den Duftnoten seines Aftershaves, das er benutzte, seit ich ihn kannte. Inzwischen war dessen intensiver, holziger Geruch für mich zusammen mit seiner festen Umarmung gleichbedeutend mit Trost und Behagen.
»Ich wusste gar nicht, dass sie unsere Festnetznummer hat«, sagte ich dumpf.
»Ich habe sie ihr an Weihnachten gegeben.«
Simón hatte so viel mehr Familiensinn als ich. Zwar stritt er mit seinen Geschwistern bis aufs Messer, und gelegentlich auch mit seinen Eltern, doch er telefonierte mit ihnen allen mindestens einmal pro Woche. Meine Familie und ich vertrugen uns gut, aber es konnte leicht ein halbes Jahr vergehen, ehe wir voneinander hörten.
Ich blickte auf und küsste ihn. Er hatte volle Lippen und an den meisten Tagen Kinnstoppeln. Während er meinen Kuss leidenschaftlich erwiderte, zog er mich sanft in Richtung Schlafzimmer, glitt mit den Händen unter mein Trikothemd und öffnete die breiten Verschlüsse meines Sport-BHs.
Inzwischen kannte er einzige meiner Eigenarten. Wenn ich niedergeschlagen war, wollte ich – vorausgesetzt, dass nicht er der Grund meines Kummers war – nichts lieber als Sex. Ich wusste, dass diese sehr spezielle Form des Trostes nur bei mir und vielleicht einer sehr kleinen Minderheit von Frauen wirkte. Aber Sex erdete mich auf eine Weise wie sonst nichts und war neben meinem Geigenspiel das Einzige, was mir Frieden schenkte.
Er zog mir die Jogginghosen herunter und glitt mit dem Finger in mich hinein. Sofort zuckte das vertraute Gefühl der Lust meinen Rücken hoch.
»Ich muss duschen«, protestierte ich. »Ich bin völlig verschwitzt.«
»Nein, musst du nicht«, widersprach er entschieden und schubste mich aufs Bett. »Du weißt, dass ich es mag, wenn du so bist.«
Das stimmte, und er versuchte es mir häufig zu beweisen. Simón gefiel ich, wie ich war, in welchem Zustand ich mich auch gerade befand, und diese Tatsache bestätigte er immer wieder, indem er mich dadurch aufweckte, dass er seinen Kopf zwischen meinen Schenkeln vergrub oder sich auf mich stürzte, wenn ich vom Sport kam.
Er war ein leidenschaftlicher Mann, der Sex genoss und alles tat, um mich zu befriedigen, aber wir hatten im Schlafzimmer nun einmal unterschiedliche Vorlieben. Keiner von uns gab gern den Ton an.
Simón war einfach nicht der dominante Typ, und ich vermisste den festen, fast eiskalten Griff von Dominik und anderen Männern wie ihm. Ich wollte ans Bett gefesselt werden, wollte, dass jemand seine verruchten Spiele mit mir trieb. Simón hatte es zwar versucht, doch er war nie damit klargekommen, dass er mich vielleicht ernsthaft verletzen könnte. Und selbst im Spaß könne er eine Frau nicht schlagen oder fesseln, hatte er gesagt. Spanking, was ich beinahe am meisten genoss, war daher ausgeschlossen.
Er war ein guter Kerl. Ich wusste, dass er es lieber mochte, wenn ich oben lag, als umgekehrt,
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