90 Tage auf Bewaehrung
behaupten, in den ersten drei Monaten so zu sein, wie er wirklich ist? Wer versucht nicht, sich von seiner attraktivsten Seite zu präsentieren?
Schließlich müssen wir diese völlig neue Lebensform ja auch irgendwie lernen - immer wieder. In jeder neuen Beziehung fangen wir bei null an. Nicht professionell und routiniert, sondern ehrlich, einfühlsam, spontan. Denn in der Liebe dürfen, wollen, können und werden wir jedes Mal aufs Neue Anfänger sein. Wir werden immer wieder Lampenfieber haben! Und uns immer wieder wie eine Fünfzehnjährige mit Zahnspange fühlen, wenn er uns das erste Mal auszieht.
Ich weiß natürlich nicht, wie’s langfristig bei mir weitergeht. Eine Beziehung bedeutet immer Arbeit - egal ob in Monat vier oder Jahr fünf! Und es wird noch so viele Bewährungszeiten geben. Mein Liebster hat die 90 Tage mit mir tapfer durchgestanden, er hat mir gezeigt, dass es sich lohnt weiterzumachen - für beide.
Meine Freundin Kerstin, die Mutter mit den drei Kindern von zwei Vätern, und ihr Liebster (Schlüsselkind Phillip) haben auch ihre Bewährungsprobe bestanden. Kerstin krönte die stressige Zeit mit dem romantischsten Satz, den ich mir für diese Situation vorstellen kann: »Er ist der letzte Mann in meinem Leben, den ich küssen werde!« Sie ist in ihrer Beziehung angekommen.
Nun gut, Schluss mit allzu viel Schmalz! Meine Analytikerin Frau S. hatte natürlich Recht: Ja, auch mein Liebster hat leichte Macken. Und wahrscheinlich werden bei meiner neurotischen Veranlagung aus Fliegen irgendwann Mammuts, also schwerste Macken! Aber malen wir mal jetzt den
Teufel nicht an die Wand, sondern nehmen das, was wir haben: eine glückliche Beziehung, mit der ich meinen Vater von seiner bescheuerten Theorie abbringen kann, Frauen um die Mitte 30 würden eher von einem Bus überfahren, als dass sie einen Mann zum Heiraten fänden; komplett an den Haaren herbeigezogen (klingt sowieso wie ein Altherren-Witz). Ich bin beziehungsfähig! Hoffe ich jedenfalls. Und wenigstens mein Liebster glaubt daran. Ich auch. Ehrlich. Wirklich.
Meine Analytikerin Frau S. hat mal wieder nichts zu meiner bedeutenden Erkenntnis gesagt. Aber Jörg, mein schwuler Freund. Und sein persönlicher Glaube an meine neu entdeckte Beziehungsfähigkeit klang bei ihm ungefähr so: »Herzchen, und wenn du in das Hochzeitskleid, dass ich mir für dich ausgesucht habe, nicht reinpasst, musst du dir halt das Fett absaugen lassen!« Das nenne ich Überzeugung!
Sabrina findet alles irgendwie »furchtbar schön«. Aber mehr furchtbar als schön. Befürchtet sie doch, dass ich ihn spätestens in drei Jahren in den Wahnsinn getrieben haben werde. Sie bietet ihm bis dahin kostenlosen therapeutischen Beistand aus der Sicht einer Freundin: »Also, pass auf, Liebster (sie nennt ihn immer noch so). Wenn sie mal wieder durchknallt, sie ihre Sachen innerhalb von drei Minuten packt und sogar zu ihrer Analytikerin ziehen will, ruf mich an. Ich verstehe sie zwar auch nicht, aber wir können dann zumindest zusammen einen auf sie trinken! Dann lässt sich das doch alles leichter aushalten.«
Ronja, die hoffnungslose Romantikerin unter uns, ist einfach nur entzückt und möchte gerne ihre persönliche Premiere als Wedding-Planerin feiern. Weil sie der Meinung ist, ich Chaotin kriege es sowieso nicht allein auf die Reihe.
Ich fasse mal die Meinung meiner drei Freunde zusammen:
Laut Jörg bin ich wohl eine leicht übergewichtige, laut Sabrina rechthaberische, egoistische und laut Ronja hilflose Person, die dringend von der Straße muss.
Tja Mädels, und genau DAS liebt er alles an mir!
Für alle, die jetzt noch ein Paar sind: Glückwunsch! Sie haben’s geschafft. Wahrscheinlich sahen Sie auch noch nie besser aus. Erinnern Sie sich daran, wenn Sie das erste Mal Migräne haben statt Sex! Wenn er mal wieder Ihren Kennenlerntag vergessen hat. Sie immer noch nicht kochen können und er jetzt lautstark darüber meckert. Oder wenn Sie ihn in seiner Lieblingsjogginghose einfach nur zum fünften Mal hintereinander nicht aus dem Fernsehsessel bewegen konnten. Wenn einfach die hormongeschwängerte Zeit vorbei ist. Und Sie ihn für all das lieben.
Aber so weit sind wir ja noch nicht, jetzt, am Anfang von Monat vier! Wir sind an einem anderen Punkt: Juchhu! Danken Sie Gott, sich, dem Polizeipräsidenten, egal wem - seien Sie einfach nur dankbar: Bewährungsprobe bestanden. Zeit, mental ein Foto zu machen, es ebenfalls in Gedanken zu rahmen, übers Bett zu hängen und
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