90 Tage auf Bewaehrung
an meinem BH-Verschluss. Hoffentlich kannte er diesen Mechanismus nicht so genau. Doch, tat er. Er löste den Verschluss, und ich verkrampfte mich sofort. Meine Arme schlangen sich wie in einem Fünfzigerjahrefilm, einem schlechten wohlgemerkt, um meine Oberweite, ich grinste schwachsinnig und hatte Kopfkino. Und er? Er bemerkte nichts von meiner Mühe, so zu tun, als handelte es sich in Wirklichkeit um eine 75-B-Situation...
Meine Damen, machen wir uns nichts vor: Keine Frau mit einem natürlichen C-Körbchen, das nicht silikonverstärkt ist, zieht sich gerne und einfach so das erste Mal vor einem Mann aus. Ich korrigiere. Keine, außer Ronja. Die einzige Frau in meinem Freundeskreis, die nichts mit einem BH anzufangen weiß. Sie scheint auf wundersame Weise die
Gesetze der Schwerkraft besiegt zu haben, und durch einen teuflischen Pakt wachsen ihre Brüste sogar regelrecht der Sonne entgegen. Ja, es gibt sie, die One-Million-Dollar-Chance. Aber zurück zu mir.
Also, was tun? Sich gleich aufs Bett werfen, weil die Brüste im Liegen irgendwie schöner aussehen? Die Arme hochreißen, weil - also bitte, machen die im »Playboy« doch auch, wenn’s schon ein bisschen hängt. Frau könnte auch das Laken vom Bett ziehen und sich kunstvoll umhüllen. Wäre sowieso besser für alles, was jetzt folgen sollte und noch ausgepackt werden musste. Ich war im Stress. Von wegen »fallen lassen« und so. Wahrscheinlich dachte er, ich hyperventilierte seinetwegen. Dabei ging’s hier gerade wirklich nur um mich! Okay, der BH war gefallen, ich lebte noch, und er war auch noch da!
Jetzt die Jeans. Schlimm. Ich dachte an die Schokolade, die vielen nicht gelaufenen Joggingrunden und meine Cellulite. Kennen Sie das? In Jeans okay - und dann? Wäre ich jetzt immer noch Single, wäre es mir - mit Verlaub - scheißegal. Aber auf einmal änderte sich alles!
Und ziehen Sie mal erotisch eine Jeans aus, die eine Nummer zu klein (die dürre Verkäuferin meinte, kleiner sei knackiger!) und einfach so eng ist, dass jede Eleganz auf der Strecke bleibt. Er würde sie nicht einfach so von meinem Körper streifen können. Da bräuchte es eine andere Manneskraft: zerren, ziehen und reißen! Entwürdigend.
So, damit das Elend jetzt und hier ein Ende fand, schlüpfte ich mal eben selber raus. Ich hatte sie ja schließlich heute Morgen auch ganz alleine angezogen!
Okay, ich änderte die Taktik. Jetzt war er dran. Denn nichts ist peinlicher, als nackt vor einem angezogenen Mann zu stehen. Womit sollte ich denn jetzt anfangen? War doch
nicht der erste Mann, der sich unter meinen Händen räkeln würde.
Also, der Gürtel. Natürlich. Was, bitte, war das? Wie funktionierte denn dieses Modell? Wo war die Schnalle? Ach so, keine Schnalle. Männer und Technik. Wenn beim Öffnen dieses Safes ein Fingernagel von mir durchs Schlafzimmer geflogen wäre, wäre ich übrigens weg gewesen. Wahrscheinlich ohnmächtig oder tot. (Und die drei Stunden debiles Rumsitzen bei Nageldesignerin Renate wären damit auch völlig umsonst gewesen.) Warum saß das Mistding bloß so eng? Meine Jeans war ein Kinderspiel gegen diesen Gürtel. Er merkte, dass ich nicht weiterkam, und half. Wie entsetzlich! Zum Glück rutschte seine Jeans spielend leicht - klar, haben Sie schon mal einen Mann mit Oberschenkelproblemen gesehen?
Jetzt standen wir also beide im Slip! Was die Situation nicht wirklich besser machte. Ich trug natürlich einen String-Tanga, nachdem ich mich drei Monate an dieses Strippengefühl im Hintern gewöhnen musste. Und er? Der klassische Schlüpfer. Immerhin: ohne Eingriff oder Ripp. Egal. Wir würden ihn ja eh ausziehen. Und ich wollte ihn auch gar nicht länger ansehen.
Verstehen Sie mich nicht falsch: die Küsse, die Worte, seine Zärtlichkeit, seine Lippen an meinem Hals. Ein Traum! Ich wünschte, alles andere wäre unwichtig. Aber ist es leider nicht. Jedenfalls nicht in meinem Kopf und beim ersten Mal! An dieser Stelle würde ich Ihnen jetzt gerne einen Tipp geben, etwa nach dem Motto: Lassen Sie ihn erst ins Schlafzimmer, wenn Sie nackt, in sanftes Licht gehüllt, mit glänzender Creme gesalbt, mit Tüchern geschickt drapiert, daliegen. Quasi mit dem Untertitel: »Gewöhn dich bitte erst mal liegend an mich!« Im zweiten Teil könnten wir dann das
Stehen im Dunkeln üben - ohne Anfassen selbstverständlich. Aber glauben Sie mir, so ist das Leben leider nicht. Ich kann Ihnen auch nicht sagen, dass das alles irgendwann, irgendwie besser würde. Meine Freundin
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